„Wir singen zur Entspannung“

Baumberger Männerchor und der Frauenchor 1977 Baumberg singen für die Solidaritätsaktion Monheim — Pskow.

Baumberg. Nur noch zehn Minuten bis zum Auftritt. Es ist ein lauer Samstagabend, im Foyer sammeln sich einige Herren in grauen Anzügen. Dazwischen huschen Frauen in roten Jacken umher. Sie alle sollen gleich vor dem Publikum in der Baumberger Friedenskirche stehen und ihre Stimmen für einen guten Zweck erheben. Doch von Aufregung keine Spur.

„Aufregung? Was ist das?“, fragt der 81-jährige Karl Riedel und lacht. Seit 40 Jahren ist das Singen im Chor sein Hobby. Gerd Stuhr sieht das ähnlich: „Ich bin ganz entspannt. Wir singen ja zur Entspannung“, erklärt der 80-jährige. Dabei steht heute ein ganz besonderes Konzert auf dem Programm. Der Baumberger Männerchor und der Frauenchor 1977 Baumberg sind Teil eines Benefizkonzerts für die Solidaritätsaktion Monheim — Pskow.

Vor 20 Jahren unternahm die evangelische Landeskirche zum Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 eine Versöhnungsfahrt nach Pskow in Russland, um vor allem behinderten Menschen zu helfen.

„Zunächst wussten die Russen nicht, was die Deutschen wollten. In Russland gab es damals keine Behinderten. Aber die Verwaltung von Pskow hat schnell erkannt, dass es wichtig ist, etwas für Behinderte zu tun“, erklärt Hans Gottschling, der mit der Initiative Pskow schon mehrmals vor Ort war.

So entstand in Pskow als erste Einrichtung ihrer Art in Russland ein heilpädagogisches Zentrum für geistig- und mehrfach-behinderte Kinder im Alter von sechs bis 18 Jahren. Um auch Behinderte über 18 Jahren unterstützen zu können, wurde später auch eine beschützende Werkstatt gebaut.

Zum 70. Jahrestag soll im Juni dieses Jahres für eine Million Euro der vierte Bauabschnitt abgeschlossen werden, so dass insgesamt 250 Behinderten wieder ein Lebensinhalt gegeben werden kann.

Das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Monheim hat unter dem Vorsitz von Kurt Arnold Holz die Trägerschaft für das erste Halbjahr 2011 übernommen und richtet unter anderem Konzerte und Aufführungen aus. Für die Fertigstellung der Werkstatt fehlen noch 10.000 Euro. Und dafür wird gleich gesungen.

Fünf Minuten später ist es soweit. Doch auch der Frauenchor gibt sich gelassen. „Ich bin seit zehn Jahren im Chor und hatte noch nie Lampenfieber. Wenn die Seele in Ordnung ist, kann man auch gut singen“, findet Sabine Reeker.

Gisela Ramosa lenkt dann aber doch ein: „Also ein bisschen nervös ist man schon. Je länger ich dabei bin, desto unruhiger wird man. Weil man dann auch die einzelnen Schwachstellen kennt. Aber wenn man regelmäßig probt, ist das kein Problem.“

In der Pause wird die Ausstellung „Pskow 1941 bis 2011 — von der zerstörten zur sozialen Stadt“ feierlich eröffnet. Auf einem Bild schmirgelt ein Mädchen die Pfoten einer Spielzeugkatze aus Holz ab. Katzen wie diese werden neben Igeln, Hasen und Krokodilen auf Veranstaltungen wie der heutigen verkauft. Daneben werden die Schürzen der Näherei angeboten. Und am Ende beweisen die Chöre dann gemeinsam mit „Lobet den Herrn der Welt“, dass sich das Proben auszahlt und der Spaß am Hobby den Sängern anzusehen ist.

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