Rheinbogen: Abholzen für die Artenvielfalt

Bayer baut im Rheinbogen einen Auenwald an. Dafür müssen Bäume gefällt werden. Die WZ begleitet den Förster.

Monheim. Langsam setzt sich der Vollernter in Bewegung. Hund Conny hüpft in letzter Sekunde in die Fahrerkabine, dann schwingt die mächtige Zange schon auf den ersten Stamm zu. Einen dumpfen Knall später liegt die Pappel auf dem Waldboden, es ist die erste von 600, die Waldarbeiter Thomas Ritschel bis heute Abend fällen will.

Auf 30 000 Quadratmetern entsteht im Rheinbogen ein Auenwald, aus Eichen, Eschen und Ulmen. 300 000 Euro lässt sich der Bayer-Konzern die Landschaftsbaumaßnahme auf seinem eigenen Land kosten. Es handelt sich um eine Ausgleichsfläche für den Bau des Rheindükers (die WZ berichtete). 2006 wurde diese Versorgungsleitung zwischen den Werken in Dormagen und Monheim gebaut. Der Düker verläuft unterhalb des Rheins und enthält neben einer Brauchwasserleitung auch ein Stück der Co-Pipeline. Bevor neue Bäume gesetzt werden können, muss der Pappelwald weg. Jetzt fielen die ersten Bäume.

Aus den dicken Stämmen entstehen Palettenbretter, die Späne werden für Hackschnitzelheizungen verwendet. Für Förster Karl Zimmermann ist es eine sinnvolle Sache: „Die Pappel hat die unangenehme Eigenschaft, dass ihr Laub einen zu hohen Stickstoffanteil hat und dadurch andere auetypischen Pflanzen und Kräuter verdrängt werden“, erklärt der 53-Jährige mit dem grauen Rauschebart. Außerdem handele es sich bei dem Pappelwald um eine geklonte Sorte von Bäumen, die es auf dem Boden „einfach nicht tue“. „Eine 30-jährige Pappel wie diese müsste locker das Dreifache an Durchmesser haben“, sagt er und deutet auf ein besonders schlankes Exemplar. Ein Auewald sei eine landesweit bedrohte Spezies und zeichne sich durch eine besonders hohe Artenvielfalt aus. „Die Bäume vertragen auch mal ein Hochwasser.“

Während seine Hunde Emma und Jimmy zwischen den Bäumen umhertollen, läuft Zimmermann einige Schritte den Deich entlang. Er hat seinen grünen Hut aufgesetzt, die Hände stecken in den Taschen seiner grünen Cordhose. Seit 30 Jahren ist er Förster, einen Bürojob hat er nie gewollt. „Morgens um 8 Uhr am Schreibtisch sitzen und um 16 Uhr den Bleistift fallen lassen? Nein, das ist einfach nichts für mich“, sagt er.

Als Förster habe er viele Freiheiten, auch wenn das Mobiltelefon manchmal nicht stillstehen will. Wieder einmal schrillt es auf, mit einem entschuldigenden Lächeln nimmt er den Anruf entgegen. Es geht um eine Linde, die gefällt werden soll. „Manchmal muss ein Baum zum Vorteil eines anderen abgeholzt werden“, sagt Zimmermann. Neulich erst sei sein Försterherz aufgegangen, weil er eine 120 Jahre alte gesunde Eiche gesehen habe. „Mit Spechtlöchern. Ein toller Baum“, schwärmt Karl Zimmermann.

Zehn Bäume liegen mittlerweile zerkleinert auf dem nassen Waldboden. Das Brummen des Vollernters ist verstummt. Waldarbeiter Thomas Ritschel öffnet eine Klappe am Heck des Wagens und steckt seinen Kopf hinein. „Die Kette ist abgesprungen.“ Seinen Zeitplan soll das nicht durchkreuzen. Im Laufe der Woche will er fertig sein.

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