Monheim: 8000 Stacheln zum Streicheln

Igel-Pflegerin Gerti Scholten zeigt Grundschülern ihren vierbeinigen Schützling Gustav.

Monheim. "Ihr müsst gleich ganz leise sein", warnt Lehrerin Ulrike Wittwer ihre Klasse eindringlich. Die Kinder haben sich in einem Kreis auf dem Boden gesetzt und schauen gespannt auf eine Kiste. Gerti Scholten holt zunächst eine kleine Pappschachtel und einen geschredderten Papierhaufen heraus, bevor sie endlich die Hauptattraktion aus der Kiste hebt: Gustav, einen etwa vier Monate alten Igel.

Seit zehn Jahren hilft Scholten kranken, verletzten und schwachen Igeln beim Überwintern. "Meine Igelstation ist ausgebucht, im Moment sorge ich für 25 Tiere, nächste Woche bekomme ich zwei weitere", erzählt die 65-jährige Rentnerin. In drei Räumen hat sie ihre Schützlinge untergebracht. "Als Nicht-Berufstätige kann ich mich den Igeln besser widmen, täglich bin ich etwa drei Stunden beschäftigt", erklärt sie. Nicht nur tägliches Füttern und Säubern der Unterkünfte stehen auf der Liste, sondern auch Besuche beim Tierarzt.

Am Dienstag will Gerti Scholten den Kindern aus der zweiten Klasse der Geschwister-Scholl-Schule ihre Igel zeigen. Die Kinder sind natürlich begeistert. Nach kurzer Zeit läuft der kleine Igel von einer Ecke zur anderen, lässt sich vorsichtig streicheln und von allen Seiten begutachten.

Als Scholten nach der Lieblingsnahrung der Igel fragt, schießen sofort alle Finger in die Höhe. "Würmer, Schnecken, Raupen, Insekten", wird da durcheinander gerufen. Natürlich wissen die Kinder auch, was das stachelige Säugetier in der Igelstation frisst: Katzenfutter. "Wie sind Sie denn darauf gekommen, Igeln zu helfen?", will einer der Zweitklässler wissen.

Ihr Hund habe einmal einen kleinen Igel gefunden, den sie dann aufgepäppelt habe, erzählt Scholten von den Anfängen ihrer Station. Sie selbst ist mit Tieren aufgewachsen: "Tiere gehörten immer schon zu meinem Leben."

Im ersten und zweiten Schuljahr nehmen Grundschüler das Thema Umwelt durch, beschäftigen sich im Sachunterricht mit Blättern, Wald und Natur. "Dann komme ich gerne mit einem meiner Igel", erklärt Scholten. Häufig können Kinder nichts mehr mit der Natur anfangen, wissen noch nicht einmal wie das kleine Lebewesen mit den 6000 bis 8000 Stacheln heißt.

Deshalb freut sich Scholten immer, wenn die Kinder Fragen stellen und Interesse zeigen. "Wusstet ihr, dass Igel ganz toll riechen können?" fragt sie die Klasse. Die Säugetiere, die bereits seit 60 Millionen Jahren existieren, haben eine feinere Nase als Hunde und Ratten.

Für die Eltern hat Scholten stets einen Zettel mit Erste-Hilfe-Regeln dabei. "Vielleicht findet sich jemand, der ebenfalls Igel aufnehmen möchte", hofft die Rentnerin. Ihre eigene Igelstation läuft unter dem Tierschutzverein Monheim-Langenfeld, der sie mit Futtergeld unterstützt.

Für jedes Tier hat sie eine Karteikarte angelegt, damit sie das Gewicht ihrer Schützlinge stets kontrollieren kann. Aufopferungsvoll füttert sie die kleinsten und lässt sie im Mai wieder frei. "Das ist immer schwer. Aber noch viel schlimmer ist es, wenn man morgens einen toten Igel findet, der es trotz allem nicht geschafft hat."

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