Fabry-Jahr 2010: Geschwister im Geiste

Doris Hengesbach wagt mit der WZ die dritte Zeitreise zu Wilhelm Fabry.

Hilden. Wilhelm Fabry gilt als Begründer der modernen Chirurgie. Er war ein religiöser Mensch. Diese beiden Seiten des Wundarztes wurden in den bisherigen Gesprächen mit Hildens berühmtesten Sohn hervorgehoben.

Aber Fabry war mehr. Als Mediziner beschäftigte er sich zudem mit Ernährungsfragen. Auf diesem Gebiet ist auch Doris Hengesbach (55) tätig. Sie widmet sich seit zwölf Jahren der traditionellen chinesischen Medizin und wagte jetzt mit der WZ die dritte Zeitreise für ein fiktives Gespräch mit Fabry.

Fabry: Ich freue mich, eine Schwester im Geiste zu treffen. Allerdings verwundert es schon, dass in Ihrer Zeit ein ganzer Berufsstand von dem in meiner Zeit allgemein bekannten Wissen lebt.

Hengesbach: Das mag sein. Doch zu Ihrer Zeit blieb den Menschen auch kaum eine andere Möglichkeit, als von dem zu leben, was die Natur gerade auf den Tisch brachte. In meiner Zeit gibt es Supermärkte, in denen alles und zu jeder Jahreszeit zu kaufen gibt.

Aber das Prinzip, dass gutes Essen und Trinken die Kraft und Energie für den Tag aufbaut, dürfte sich doch nicht geändert haben.

Das stimmt, aber in meiner Zeit hat sich die Vorstellung von dem, was gutes Essen ist, verändert.

Stimmen denn meine 25 auserlesenen und sehr nützlichen Regeln, die Gesundheit zu erhalten, in späteren Zeiten nicht mehr?

Doch, ich würde alle unterschreiben. Leider ist Ihre Zusammenfassung der über Jahrhunderte gesammelten Lebenserfahrung in Vergessenheit geraten.

Wie kann es angehen, dass etwa die Regel ’im Sommer viel Salat und Früchte, im Winter andere Gerichte’ vergessen wurde?

Als die Menschen die Möglichkeiten entdeckten, Lebensmittel zu konservieren, wurden sie unabhängiger vom Jahresrhythmus. Neue Früchte und Gemüsesorten wie Tomaten, Kartoffeln und Südfrüchte kamen nach Europa. Und bei diesem großen und ständig verfügbaren Angebot wurde vergessen, dass Sauerkraut mehr VitaminC als jede Südfrucht hat.

Aber dieses Wissen müssten doch zumindest die Ärzteschaft überliefert haben.

Mit Ernährungsfragen können viele Ärzte in meiner Zeit wenig anfangen. Sie kurieren an den Symptomen herum und suchen selten nach den Ursachen. Was Sie als Mediziner in Ihrer Zeit gemacht haben, heißt heute Naturheilkunde. Wenn alle Mediziner in meiner Zeit so ganzheitlich arbeiten würden wie Sie es getan haben, wäre ich arbeitslos.

Dann möchte ich meinen Berufskollegen die Schriften der Hildegard von Bingen nahe legen. Sie lebte von 1098 bis 1179 und war, wie Sie es nennen würden, die erste Naturheilkundlerin.

Es gibt sogar noch älteres Wissen zur gesunden Ernährung. Die traditionelle chinesische Medizin, mit der ich mich seit zwölf Jahren beschäftige, ist mehr als 3000 Jahre alt.

Davon habe ich vernommen. Mein Sohn Johann berichtete darüber, als er 1630 aus Indien zurückkehrte. Doch um zu verstehen, dass etwa die Völlerei eine der sieben Todsünden ist, bedarf es doch keiner Naturheilkunde.

Völlerei ist in meiner Zeit keine Todsünde mehr, auch wenn sie manchmal noch bestraft wird. Auch deshalb ist Ihr Wissen so wertvoll. In meinen Ratgeber-Zeiten hätte ein angesehener Mediziner wie Sie gute Chancen, ein Bestseller-Autor zu werden.

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