Fabry-Jahr 2010: Antwort auf die Gretchenfrage

Karin Marquardt wagt mit der WZ die zweite Zeitreise zu Wilhelm Fabry.

Hilden. Seine medizinischen Schriften und die von Wilhelm Fabry entwickelten Instrumente haben Hildens berühmtesten Sohn zu einem Wegbereiter der modernen Chirurgie gemacht. Aber Fabry war nicht nur Wundarzt und Mediziner, auch der Theologie widmete er große Aufmerksamkeit.

Er war ein religiöser Mensch. Worüber würde er sich wohl mit einem religiösen Menschen der Neuzeit unterhalten? Um diese Frage zu beantworten, wagt die ehemalige Religionslehrerin Karin Marquardt die zweite WZ-Zeitreise.

Im ersten fiktiven Gespräch hatten sich Fabry und Chefarzt Dr. Hans Beyer-Helms über medizinische Themen unterhalten. Diesmal geht es frei nach Goethes Faust um die Gretchenfrage: "Nun sag, wie hast Du’s mit der Religion?"

Fabry: Gegrüßet seist Du holde Weiblichkeit.

Marquardt: Auch ich grüße Sie, Herr Fabry. In Ihrer Stimme klingt Verwunderung durch.

Nun ja, es verwundert schon, ein theologisches Gespräch mit einer Frau zu führen. Zu meiner Zeit war das höchstens einmal mit der Frau eines Pfarrers möglich.

Dann wird es Sie noch mehr erstaunen, dass in meiner Zeit eine Frau an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland steht.

Ihren Worten mag ich kaum glauben. Sie scheinen - wie ich - in einer sehr unruhigen Zeit zu leben.

Nicht ganz. Während Sie die Zersplitterung der einen Kirche durch die Lehren der Reformatoren, vor allem Calvin und Luther, erlebt haben, rücken die Kirchen in meiner Zeit wieder zusammen. Auch die katholische Kirche ist als Beobachter im ökumenischen Rat vertreten.

Das griechische Wort für den ganzen bewohnten Erdkreis ist mir wohl bekannt, nicht aber der Zusammenhang mit Religion.

Der Begriff steht für einen weltumfassenden Zusammenschluss vieler protestantischer und orthodoxer Christen und Kirchen.

Wenn Ökumene auch bedeutet, dass es weiter unterschiedliche Auffassungen in Religionsfragen geben kann, dann liegt sie ganz in meinem Sinne. Es muss ja nicht alles gleich gemacht werden.

Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Auch in Ihrer Zukunft, meiner Gegenwart, gibt es weiterhin viele Fragen zum Verständnis des Glaubens.

Dann hätte ich an Ihrer Zeit vermutlich ein großes Wohlgefallen gefunden.

Ja vielleicht, wenn Sie dabei nur die Entwicklung der Kirchen betrachten. Nein, wenn Sie die christliche Frömmigkeit in unserer Heimat betrachten. Weil es für Vieles, was in Ihrer Zeit Gott zugeschrieben wurde, heute eine wissenschaftliche Erklärung gibt, scheint das oft Grund genug zu sein, den Glauben abzulegen.

Als Mediziner weiß ich, dass es gut ist, seinen Verstand zu nutzen. Aber als religiöser Mensch fehlt mir dabei etwas der Bezug zu Gott und zum Glauben.

Deshalb finde ich es bewundernswert, dass Sie als Arzt dem Glauben eine so starke Kraft zutrauen, dass er auch Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit hat. Auf diese Idee sind bestimmt nicht viele Ärzte gekommen. Das mag sein. Ich möchte aber betonen, dass es nicht darum geht, dass die Wissenschaft eine bessere Erkenntnis hat, nur eine andere.

Und ich möchte betonen, wie beeindruckt ich davon bin, dass Sie sich als Mediziner mit Ihren Schriften in das religiöse Leben eingemischt haben.

Dann möchte ich Ihnen zum Abschied die Schriften des reformierten Theologen Johannes Gerhardt aus Jena ans Herz legen. Ich habe seine "Meditationes" ins Französische übersetzt, damit meine liebe Frau Marie Colinet sich daran erfreuen kann. Für mich ist es das wichtigste Buch nach der Heiligen Schrift und wird sicherlich auch Ihrer Erbauung zuträglich sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort