Chronik: Was Langenfeld 1936 bewegte

Die Hobby-Historiker der VHS haben den fünften Band ihrer Dokumentation über die Zeit der NS-Diktatur vorgelegt.

Langenfeld. Deutschland 1936, das dritte Jahr der NS-Diktatur, ein Land im Rausch der Olympischen Spiele von Berlin, mit denen Adolf Hitler vor allen eins in die Welt senden wollte: die Stärke des deutschen Volkes. Was die Menschen in der Gemeinde Richrath-Reusrath 1936 sonst bewegte, das haben die elf Hobby-Historiker des Arbeitskreises Geschichte der Volkshochschule in mühevoller Archivrecherche erforscht und im fünften Band der "Langenfelder Chronik" für die NS-Zeit dokumentiert.

"Schatten auf dem schönen Schein", so lautet der Untertitel der im März vergangenen Jahres erschienen Chronik für 1935. "Und diese Schatten bleiben auch 1936 sichtbar. Sie können trotz der perfektionierten Selbstdarstellung und Inszenierung der Macht des NS-Staates nicht verdeckt werden", sagt und Arbeitskreisleiter Günter Schmitz (69).

"Wehrfreiheit, Nährfreiheit und der Kampf um die Deutsche Schule", der Titel der jetzt vorgelegten Chronik nennt die drei Themen, die für das Jahr in Langenfeld prägend waren.

Auf 391 Seiten wird ein weiter Bogen gespannt von der Besetzung des entmilitarisierten Rheinlands (Wehrfreiheit) im Frühjahr, der Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion im Zuge der vielbeschworenen "Erzeugungsschlacht" (Nährfreiheit) im Sommer, bis zum Winter 1936 mit dem Kampf um die "völkische, deutsche Gemeinschaftsschule" mit dem Ziel der Zerschlagung der bisher konfessionellen Volksschulen.

Ob in Nußbaums Gaststätte, der Wilhelmshalle im Kulmbacher Hof in Reusrath oder an der Schwemmkaul in Mehlbruch Gieslenberg - im Februar wird in allen Sälen der Gemeinde ausgiebig Karneval gefeiert.

Aber schon am 25. Februar beruft der Reichsarbeitsdienst alle im ersten Quartal 1915 geborenen Männer zur sechsmonatigen Landarbeit ein. Was Kreisleiter Straßweg als "Nichtigkeiten" bezeichnet, ist für die Bürger im März ein echtes Problem: die Verknappung von Butter und Fett.

Arbeitskreis-Mitglied Heinz Evertz stieß bei seinen Forschungen auf bis dato unbekannte Unterlagen. Die Akte zum Verfahren des Ehren- und Disziplinargerichts der Deutschen Arbeitsfront (DAF) gegen den bei Becker& Bernhard beschäftigten Weber Peter Heinrich Klein aus Immigrath werfen ein Schlaglicht darauf, dass bereits das Fernbleiben von einer NSDAP-Veranstaltung zur Denunziation und Strafe führen konnten. "Selbst beim Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf kannte man diese Dokumente bisher nicht", sagt Schmitz.

Weitere wichtige Quellen sind die Chronik des Richrather Pastors Breuer und Zeitzeugen wie Erika Keisinger-Monjau. Die heute 87-Jährige hat ihre Erinnerungen an die Vorbereitungen für die große Landwirtschaftsschau vom 19. bis 23. September auf dem Platz neben der katholischen Schule zu Papier gebracht. Sie schildert, wie sie als Mädchen am Gladbacher Hof durch den Bach stapfend Pfifferlinge gesammelt hat. Und, dass Champignons auf der dortigen Kuhweide nur bei Vollmond zu ernten waren.

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