Monheim: So lecker kann Geschichte sein

Ob Mangold, Mais oder Liebstöckel: Das Haus Bürgel kultiviert Nutzpflanzen aus vielen Menschheitsepochen – ein Buch erklärt jetzt deren Historie und verbindet das mit Rezepten.

Monheim. Geschichte zum Anfassen - das gibt es in vielen Museen. Aber kann man Geschichte auch schmecken? Ja, und sie schmeckt sogar gut. Die "Speisenkarte" zur Verkostung der Historie bietet das neu erschienene Buch "Bunne, Stielmus, Schözeneere", das viel Wissenswertes über die Nutzpflanzen des Rheinlandes vorstellt. Dabei wird der Zeitraum von der Jungsteinzeit bis zum 20.Jahrhundert abgedeckt.

Und quasi als Sahnehäubchen gibt es einige Rezepte zum Nachkochen und Ausprobieren gleich mit dazu: Ob "Suurampel Zupp" (Sauerampfersuppe) aus der Eisenzeit, römisches Dinkelbrot mit Moretum (Kräuterkäse), "Stillmos ongernander" (Stielmuseintopf) aus dem Mittelalter oder "Fitschbunne-Bottermilch-Zupp" (Gartenbohnen-Buttermilchsuppe) aus der Neuzeit.

Grundlage für das Buch, das die NRW-Stiftung, der Landschaftverband Rheinland und die Biologische Station Haus Bürgel herausgegeben haben, ist der Nutzgarten von Haus Bürgel in Monheim. In und um das Bau- und Bodendenkmal haben nacheinander römische Legionäre, fränkische Burgbewohner und neuzeitliche Gutsleute gelebt und die jeweiligen Nutzpflanzen ihrer Zeit angepflanzt. Und bei den Ausgrabungen auf dem Gelände wurden auch Pflanzenreste sorgfältig unter die Lupe genommen.

"Verkohlte Getreidekörner oder das Vorkommen bestimmter Samen oder Sporenreste geben Archäo-Botanikern wichtige Hinweise darauf, was wann gegessen wurde", erklärt Jutta Meurers-Balke, Archäologin an der Uni Köln, die mit fünf Kollegen das reich bebilderte Buch verfasst und gestaltet hat.

Im Garten am archäologischen Außenpfad von Haus Bürgel wird in kleinen Beeten die Geschichte der Nutzpflanzen lebendig. Aus der Eisenzeit stammen Rispenhirse, Dost und Dicke Bohne, die Römer brachten Dinkel, Mangold, Weinraute und Schwarze Maulbeere aus dem Süden mit. Im Mittelalter bereicherten Stielmus, Liebstöckel und Schwarzer Senf den Speisezettel, der in der Neuzeit durch Mais, Schwarzwurzel, Estragon und Kartoffeln ergänzt wurde.

Woher stammen die Rezepte? "Aus der Eisenzeit ist naturgemäß nichts überliefert, auch von den Römern gab es wenig", stellt Biologe und Co-Autor Günter Matzke-Hajek fest. Bei den Speisen aus der Neuzeit (ab dem 16. Jahrhundert) wurde er aber in einem Niederrheinischen Kochbuch aus dem Jahr 1777 fündig - mit Klassikern, wie sie heute noch gerne gegessen werden: Dicke Bohnen, Stielmus, Möhreneintopf.

Alle Rezepte hat er nachgekocht, von seinen Fast-Food-vertrauten Kindern testen und für gut befinden lassen. "Manchmal mussten die Mengen heutigen Gegebenheiten angepasst werden", verrät Matzke-Hajek. So sollten in dem römischen Kräuterkäse pro Person vier Knollen Knoblauch verarbeitet werden, diese Menge wurde auf wenige Zehen reduziert.

Wer jetzt immer noch beim Buchtitel über "Schözeneere" rätselt, ist bestimmt in bester Gesellschaft. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als der Spargel der kleinen Leute, die Schwarzwurzel. Da der Rheinländer schwierige Wörter gerne verballhornt, wurde aus dem komplizierten, lateinischen Namen der Pflanze Scorzonera kurzerhand die "Schözeneere".

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