Riesen-Andrang beim neuen Chor

Rund 150 Teilnehmer kamen zur Premiere der Proben für den Chor-ME in den Festsaal des Caritas-Altenstift. Sie wollten nur eins: singen.

Riesen-Andrang beim neuen Chor
Foto: Köhlen

Mettmann. Kurz vor 20.30 Uhr bekommt Sabine Hausner das größte Lob an diesem Abend. Da ist der Sauerstoff im Festsaal des Caritas-Altenstifts in Süd längst weggeatmet. Die Temperatur pendelt oberhalb der 30-Grad-Marke. Und der Stehplatz für jeden Einzelnen der rund 150 Gäste reicht knapp aus, um beide Arme gleichzeitig in die Luft heben zu können. Umfallen — ausgeschlossen. Dennoch fragt jemand mit fester Stimme: „Wollen wir nicht noch ein zweites Lied lernen?“ Und es erhebt sich kein Protest, obwohl alle hier in dem viel zu kleinen Raum für viel zu viele Menschen bereits seit 90 Minuten dastehen und das tun, wofür sie hergekommen sind. Singen.

Für das neue Projekt Chor-ME hatten sich ursprünglich 72 Interessenten angemeldet, darunter vier Männer. Gekommen sind mehr als doppelt so viele. Sie müssen stehen, die Stühle bleiben am Rand. Die Liedblätter reichen nicht — zwei angehende Chormitglieder müssen sich ein Notenblatt teilen. „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin völlig platt“, sagt Sabine Hauser nach 90 Minuten, in denen sie entweder auf einem Stuhl steht, damit sie alle sehen können oder am Klavier Akkorde anschlägt. Beim Wort „gerechnet“ rollt die Sängerin und Stimmtrainerin das „r“ sehr akzentuiert. Sabine Hausner stammt aus Franken.

Und sie hasst lange Vorreden. Also geht’s gleich los. Zischen, stampfen, schnippen — dann mit der Stimme vom Baum herabfallendes Herbstlaub imitieren und dabei den Ton halten. Eine Freundin hat sie als Leiterin des Chor-D in Düsseldorf erlebt und so lange gequengelt, bis dieser Termin in Mettmann zustande kam. Das: „Man kann‘s ja mal probieren“, verwandelte sich in ein Staunen.

„Mir fehlen bei diesem Andrang beinahe die Worte“, sagt Sabine Hausner, die es nach eigenen Angaben für einen kühnen Traum gehalten hatte, 50 Menschen für den neuen Chor zu begeistern. Nun schaut sie ein Vielfaches an Augenpaaren erwartungsvoll an. Nach wenigen Minuten sind die widrigen Umstände der Premiere bereits vergessen. Alle konzentrieren sich auf die nächste Übung: Body-Percussion, der ganze Körper wird zur Trommel.

Vanessa, Sandra und Beate sind eigens aus Wülfrath angereist, um hier mitzumachen. Alle drei waren schon in „normalen“ Chören. „Aber da stört uns das eintönige Repertoire.“ Immer nur Klassik, ewig diese Kirchenlieder — wie langweilig! „Wir wollen mal Pop singen — oder auch mal Hard Rock.“ Deshalb sind sie jetzt hier und begeistert.

Sabine Hausner, Chorleiterin

Das moderne Repertoire und der Spaß am Singen — das treibt auch einen der vier offiziell angemeldeten Männer zum Chor-ME in Gründung. Jürgen Heitmann singt und wippt begeistert mit. Darauf hatte er gehofft, auf ein bisschen Klang-Balsam für die Seele. Zugegeben, er nennt es einen „positiven psychischen Effekt“, meint aber dasselbe. Außerdem hat ihm sein Arzt mit auf den Weg gegeben, dass Singen nicht die schlechteste Übung wäre gegen sein Asthma. Als Dreingabe lernt er nun ein paar Brocken Kiswahili. „Simama“ heißt „stehen“, „ruka“ bedeutet „hüpfen“ und „tembea“ heißt „gehen“: Das afrikanische Traditional „Simama kaa“ erzählt die Geschichte von einem äußerst quirligen Küken. Und ohne, dass viel Chorerfahrung im Raum gewesen wäre, gelingt es der Gruppe, das Lied vierstimmig zu singen und den eigenen Körper als eine Trommel zu benutzen.

Es gibt noch zwei Schnuppertermine — am 22. November und am 20. Dezember. Danach müssen sich die Hobbysänger entscheiden, ob sie gegen einen Obolus von 96 Euro im ersten Halbjahr 2018 im Chor-ME mitmachen möchten.

„Werden wir auch Konzerte geben?“, fragte einer der Männer. „Das kann ich leider jetzt noch nicht sagen. So ein Chor ist ein lebendiges Wesen. Das muss sich entwickeln“, antwortet Chorleiterin Hausner vorsichtig. Immerhin: Ein Anfang ist gemacht.

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