Neanderland-Biennale: Der entstaubte Don Quichotte

Spektakulärer Auftakt des Kulturfestivals auf dem Baubetriebshof.

Mettmann. Perfekt choreographierte Lichtinstallationen erhellten das Dunkel der Nacht und gaben den Blick frei auf die "Quixotage". Mit dieser modernen Version des klassischen Romanhelden Don Quichotte, 1605 von Cervantes publiziert, in einer faszinierenden Version des Teatr KTO aus Polen wurde Samstagabend ein fulminanter Auftakt der Neanderland-Biennale gefeiert.

Als "im aktuellen Gewand" wurde diese bemerkenswerte Inszenierung lapidar angekündigt und umriss damit bloß einen kleinen Zipfel des großen Spiels, das in 70 Minuten vor den Zuschauern entrollt wurde. Zunächst hat das Krakauer Ensemble die Grundgeschichte des Ritterromans umsichtig ausgegraben, fein abgestaubt, neu arrangiert und mit einer eigenen Deutung versehen.

Don Quichotte lebt auf dem oberen Teil einer rollbaren Stellage wie in einem Elfenbeinturm. Sancho Pansa ist kein tumber Tor, sondern sein treuer Freund im modernen dreiteiligen Anzug, der unermüdlich versucht, ihn zu schützen.

Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Sind der Auftritt der hereinbrechenden Ärzte und kurz berockten Krankenschwestern nur eine Vision, ebenso wie der Pope und die Rosenkränze herunterbetenden Nonnen?

Im Original bei Cervantes ist alles einfach: Don Quichote erfindet sich seine Wirklichkeit. Er sagt: "Was ich da sehe, sind Riesen" und es sind Riesen für ihn. Wie dann seine ganze Umwelt darauf reagiert und wie er wiederum auf die Reaktion der Umwelt selbst reagiert, das ist ein faszinierendes Spiel von Reflektionen und Brechungen, von Wirklichkeit und Fiktion. So leicht macht es das Teatr KTO seinen begeisterten Zuschauern, die bei der Vorstellung unter freiem Abendhimmel zwischendurch mit frischem Obst und polnischem Kräuterwodka versorgt werden, nicht.

In immer wieder spektakuläre Lichtwechsel gehüllt und von Nebelschwaden verdeckt, tauchen in wilden Tänzen Wesen mit fratzenartigen Gesichtern auf Rollbrettern oder Stelzen auf. Sind das Halluzinationen? Hämisches Gelächter erklingt, Fackeln werden entzündet, und Ketten rasseln - bloß in der Phantasie des Ritters der traurigen Gestalt oder auch für Sancho Pansa sichtbar?

Am Ende, die Spielfläche ist von kämpferischen Auseinandersetzungen mit Rosenblättern, Gemüsefetzen und Feuerresten übersäht, stehen unendlich viele Windmühlen, groß und klein, aufgereiht da. Umgarnt von poetischen Spintisierereien, spendierten die Zuschauer frenetischen Beifall für die animierende Reise zwischen Illusion und Desillusion, zwischen Traum und Wirklichkeit.

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