Mettmann: Party für eine „alte Lady“

Der Triebwagen TW9 der Mettmanner Straßenbahn ist 100 Jahre alt.

Mettmann. Allzu viele gute Tage gab es noch nicht im langen Leben der alten Dame. Dabei hatte es eigentlich ganz gut begonnen für den TW 9, den Triebwagen der Kreis Mettmanner Straßenbahnen. Vor 100 Jahren in Betrieb genommen, rollte er täglich zwischen Mettmann und Vohwinkel hin und her. Man mag nur ahnen, wie viele Geschichten in der guten alten Tram erzählt wurden, bis sie in den 1930-er ausgemustert wurde.

Von da an begann die Leidenszeit des Gefährts, das immer gute Dienste geleistet hatte. Als Schmierwagen in Graz, auf dem Schrottplatz in Bochum: ein Leben auf dem Abstellgleis. Wären nicht irgendwann ein paar Leute in Mettmann aufmerksam geworden auf die "alte Lady". So nennt zumindest Hans-Günther Kampen das Gefährt, dem er sein Herz geschenkt hat. Und zumindest während der Sanierung auch mehr Zeit als seiner Ehefrau. "Das müssen tausende von Stunden gewesen sein", erinnert sich Kampen an die viele Arbeit und Zeit, die er gemeinsam mit fleißigen Helfern auf Achse war, um den TW9 auf Vordermann zu bringen.

"Das ist einer der schönsten Tage meines Lebens", gestand Kampen vor fast 15 Jahren, als er die restaurierte Bahn in die Obhut der Stadt übergab. Am Samstag gab es nun noch einen schönen Tag für seine "Alte Lady". Der 100.Geburtstag wurde ausgiebig gefeiert, Musiker mit Trompeten und Posaunen sorgten für ein zünftiges Ständchen und zwischen den knarrenden Holzbänken war Kinderlachen zu hören. Fast so wie früher, als sie gar nicht weit von ihrem jetzigen Standort an der Haltestelle "Hotel Vogel" ihre Türen für die Fahrgäste öffnete.

"Es war eine lange Leidensgeschichte", ließ Hans-Günther Kampen die Odyssee seines Schützlings noch einmal Revue passieren. In Mettmann ausgemustert, fristete die Bahn in Graz ein trostloses Dasein als Schmierwagen und war im fernen Österreich unterwegs, um Schienen zu reinigen. "Sie wurde degradiert", so Kampens mitfühlender Kommentar.

In den 80er-Jahren schien es dann fast so, als würden sich die dunklen Wolken lichten, nachdem in einem der Mettmanner Ausschüsse der Beschluss gefällt wurde, den TW9 in seine alte Heimat zurückzuholen. Die Stadt zahlte 3500 Mark, die Rheinbahn übernahm den Transport nach Düsseldorf, wo der Triebwagen in der Lehrwerkstatt des Unternehmens restauriert werden sollte. Doch die geschätzten Sanierungs- und Reparaturkosten von 70 000 bis 150 000Mark wollte niemand aufbringen. Und so landete die Tram, in Plastik eingehüllt, auf einem Schrottplatz in Bochum. "Dort feierten Obdachlose Partys zwischen den Sitzbänken", erinnert sich Kampen an den schlechten Zustand des Triebwagens 9.

Er wollte sich das Elend nicht mehr länger mit anschauen und scharte ein Team von Ehrenamtlern um sich, die schließlich selbst Hand anlegten. Unzählige Arbeitsstunden, mehr als 10 000Euro Materialkosten, 52 Meter Lötstellen und gedrechselte Haltestangen: Die Liste der Reparaturarbeiten war damals lang.

Im vergangenen Jahr wechselte Schreinermeister Stefan Prangenberg nochmals die morsch gewordene Holzkonstruktion unter dem Aluminiumdach aus. "Es ist eine unendliche Geschichte", glaubt Hans-Günther Kampen. Für seine alte Lady scheint sie allerdings ein gutes Ende zu nehmen. Und wenn das Kö-Karree kommt, ist auch ihr Standplatz gesichert. Sie wird nur ein Paar Meter verschoben.

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