Mettmann: Eine Auszeit an der Mayenne

Der IT-Unternehmer Ralph Scharping war in den USA, hat auf Schiffen angeheuert und in Frankreich Tretboote verliehen.

Mettmann. Einmal alles hinter sich lassen, etwas ganz anderes machen - davon träumen viele Menschen. Ralph Scharping (36), Firmenchef des Mettmanner IT-Unternehmens "Die Netzschmiede", hat sich diesen Traum erfüllt.

Im Sommer des vergangenen Jahres fuhr er in Mettmanns französische Partnerstadt Laval, um bei einem Tretboot-Verleiher unweit der mächtigen Eisenbahnbrücke über die Mayenne zu arbeiten. Anfangs wurde er skeptisch beäugt. "Warum macht einer so etwas, wenn er es gar nicht braucht?" Die Frage beschäftigte viele Lavaler. "Ich hab’ mir einen Monat Auszeit gegönnt, um Französisch zu lernen."

Seit einigen Tagen hat Scharping Besuch aus Laval. Der Computer-Spezialist Nicolas Boulinguiez (28) wohnt und arbeitet bei dem Mettmanner. "Er macht hier ein Praktikum, obwohl er kein Deutsch kann", sagt Scharping.

Dass sich beide am Ufer der Mayenne anfreundeten, ist kein Wunder. Auch Boulinguiez ist ein Aussteiger. Er arbeitet als freier Mitarbeiter in der IT-Abteilung von Lactalis, Hersteller des President-Käses. Im Sommer nimmt er sich einige Monate frei und bewirtschaftet das kleines Bistro "La Halte Fluviale" (Flusshaltestelle) an der Mayenne, das er von seinem Vater übernommen hat.

"Ich war der erste Deutsche, mit dem er gesprochen hat", sagt Scharping. Und Boulinguiez wurde Scharpings bester Französisch-Lehrer. "Nico hat eine Begabung, langsam zu sprechen und einfache Vokabeln zu verwenden", sagt er. Tatsächlich hat Scharping sein rudimentäres Schulfranzösisch mächtig aufgebessert, auch wenn es für ihn anstrengend ist, den ganzen Tag Französisch zu sprechen. "Manchmal fallen mir manche deutsche Wörter nicht mehr ein. Das ist peinlich, wenn ich mit einem Kunden spreche."

"Ich wollte gucken, was für ein Typ Ralph ist, deshalb bin ich nach Mettmann gekommen. Nicht, um Deutsch zu lernen", sagt Boulinguiez, der verheiratet ist und eine kleine Tochter hat. Und er wollte Deutschland entdecken. Bei Eisbein und Sauerkraut in der Düsseldorfer Altstadt räumte der Franzose mit einem Vorurteil seiner Landsleute auf: "Es stimmt nicht. Die Deutschen sind gar nicht alle so dick."

Der Unternehmer Scharping hält es für wichtig, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. "Man fasst Vertrauen auch in politisch schwierigen Zeiten und liest Nachrichten anders als jemand, der Land und Leute nicht kennt." In Laval wohnte er bei Roland Hernier, dem ehemaligen Präsidenten des Austauschkomitees. Um einen Job bewarb er sich im Tourismusbüro. "Das war die erste Bewerbung, die ich in meinem Leben geschrieben habe."

Von Laval und seinen Bewohnern ist der Mettmanner begeistert. "Eine tolle Stadt." Sein Versuch, die Patenschaft der Städte mit mehr Leben zu füllen, gelang ihm allerdings nicht. Gerne hätte er ein Austauschprogramm für Lehrlinge angestoßen. Doch daran gab es in Laval kaum Interesse. Auch bei seinen Lehrlingen hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Laval: "Die Beziehungen in die englische Partnergemeinde Boston sind stärker."

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