Kernige Typen schwingen Axt und Säge

Beim Holzsportfällen reicht Kraft alleine nicht. 18 Männer und vier Frauen bewiesen bei den Deutschen Meisterschaften in Mettmann ihre Geschicklichkeit.

Kernige Typen schwingen Axt und Säge
Foto: Stihl Timbersports Series

Mettmann. Schon einmal etwas von Holzsportfällen gehört? Das klingt erst einmal sonderbar. Wer allerdings am Samstag im Road Stop Neandertal in Mettmann den Saisonauftakt der Stihl Timberland Series verfolgt hat, konnte einen Eindruck gewinnen, dass der Begriff Sport mehr als berechtigt ist. Kraft alleine reicht nicht, Ausdauer auch nicht, um in diesen Wettkämpfen zu bestehen. Am Ende sahen 850 begeisterte Zuschauer einen überraschenden Weltrekord.

Kernige Typen schwingen Axt und Säge
Foto: Stihl Timbersports Series

„Springboard“ heißt eine von zwei Königsdisziplinen des Holzsportfällens. Dabei muss der Wettkämpfer zwei „Taschen“ mit einer handelsüblichen Axt in einen aufrecht stehenden Baumstamm schlagen. Über Trittbretter in diesen „Taschen“ klettert der Athlet hoch und muss am Schluss in einer Höhe von 2,5 Metern noch einen veritablen Holzblock durchschlagen. Letzteres erfordert bei den recht schmalen Trittbrettern ein unglaubliches Gleichgewichtsgefühl. Das Ganze muss übrigens nach exakt drei Minuten erledigt sein, sonst wird der Teilnehmer disqualifiziert.

„Jeder kann alles schaffen“, versicherte Dirk Braun (46), der Topstar der nationalen Szene. Die Serie startete 2001 in Deutschland, sieben Mal hieß der Deutsche Meister Dirk Braun. Er könnte mit seinem markanten Gesicht plus Kopftuch auch in einem Piratenfilm mitspielen. Athletisch präsentierten sich auch seine 17 Mitbewerber und teilweise das Publikum. Nicht selten waren Armumfänge zu sehen, die besonders großzügige Tattoes zuließen.

Den Spannungsbogen aufrecht erhaltend, traten erst einmal etwas weniger geübte Holzsportfäller an. Der Erste scheiterte mit drei Minuten und vier Sekunden am Zeitlimit. Während sich mancher Zuschauer unweigerlich fragte, wie das bitte noch schneller gehen soll, steigerten sich die Leistungen mit jedem der 18 Teilnehmer. Disziplin-Sieger Dirk Braun schlug den finalen Holzblock nach einer Minute und 13 Sekunden in Stücke — und entschuldigte sich fast beim Publikum, dass es so lange gedauert hat. „Das Holz war zäh“, so Braun, dessen deutscher Rekord bei unglaublichen 45,6 Sekunden steht.

Dirk Braun hat in allen sechs Disziplinen den deutschen Rekord gehalten — bis Samstag. In der zweiten Königsdiziplin für Männer, „Hot Saw“ (heiße Säge), sorgte der vierfache Deutsche Meister Robert Ebner für eine kleine Sensation: Er brach mit 5,23 Sekunden sogar den Weltrekord. Das ist wahrlich ungewöhnlich, denn weltweit sind die Holzsportfäller aus den USA, Kanada, Australien und Neuseeland absolut führend.

Svenja Bauer

Bei „Hot Saw“ ist alles an Tuning erlaubt, was die Motorsäge hergibt. Aus fünf PS werden bis zu 80 (!), damit gleicht die Leistung der Monstersägen der eines Porsche 914, der Ende der 1960er Jahre mit knapp 180 Kilometern pro Stunde über die Autobahnen gefegt ist. Voraussetzung ist allerdings, dass der Athlet die selbstgebastelte Säge alleine tragen und benutzen kann. 30 Kilogramm sind sicher zu verkraften, wenn es um das pure Hochheben geht, aber damit zentimetergenau und möglichst schnell drei Scheiben zu sägen, ist schon anspruchsvoll. Für die drei Scheiben sind nur 15 Zentimeter Breite des Holzblocks als Arbeitsfläche vorgesehen. Bisheriger deutscher Rekord: Dirk Braun mit 5,5 Sekunden. Es geht bei den Motorsägen-Disziplinen um Zehntelsekunden.

Beim „Stock Saw“, dabei werden zwei Holzscheiben mit einer „normalen“ Motorsäge so schnell wie möglich von einem Stamm abgesägt, hält Braun mit 9,95 Sekunden den Weltrekord. Nun hat es ihm Robert Ebner gleichgetan. Vielleicht ein gutes Omen für die Weltmeisterschaft, die am 11. und 12. November in Stuttgart stattfindet — mit den erfolgsverwöhnten Teams aus Übersee.

Das weibliche Pendant zu Dirk Braun war auch am Start. Svenja Bauer (33) ist seit 2009 dabei und hat national alles gewonnen, was eine Frau in dieser Sportart gewinnen kann. Nur nicht die deutsche Meisterschaft, die gibt es mangels Masse noch nicht. In Mettmann traten vier Frauen an, laut Svenja Bauer stand sie noch nie mit so vielen Kontrahentinnen in einem Wettkampf. Frauen treten in drei Disziplinen an: „Underhand Chop“, dabei wird ein Holzblock mit der Axt beidseitig durchschlagen, „Single Buck“, quasi Zugsäge gegen Holz, und „Stock Saw“, Motorsäge zaubert Holzscheiben.

„Die Sportart hat mich gesucht und gefunden“, sagte Svenja Bauer, die hofft, dass es auch für sie irgendwann eine nationale Meisterschaft gibt. Cool ist sie auch, kurz vor dem Wettkampf gibt es noch ein paar Nudeln mit scharfer Tomatensoße und Antworten auf Fragen von Fans des Holzsportfällens. Ja, Schutz gibt es schon, wenn sie die Motorsäge schwingt, zum Beispiel Kettensocken. Die sind aus dem selben Material wie Fleischerhandschuhe. Die „Socken“ reichen von den Füßen bis zu den Knieen. Verletzt hat sie sich im Wettkampf noch nie, „nur wenn ich die Axt blöd gehalten habe, war mal ein Schnitt im Finger“. Den Wettkampf absolvierte Svenja Bauer fast wie immer — sie holte den Sieg. Das gelang Dirk Braun diesmal nicht. Danny Mahr (28) schnappte ihm den Sieg noch weg — bisher sein größter Erfolg als Sportholzfäller.

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