Hochdahl: Frau Dr. droht mit Schließung

Erkrather Ärzte sehen ihre Existenz durch die Gesundheitsreform akut in Gefahr.

Hochdahl. Geht’s dem Arzt schlecht, muss die Ehefrau den Zweit-Porsche ein Jahr länger als üblich fahren. Was des Mediziners persönliches Jammertal, ist des Normalmenschen finanzielles Hochplateau - so die weit verbreitete Einschätzung der pekuniären Möglichkeiten von Frau und Herrn Doktor.

Ein Vorurteil, so alt wie das Auto von Dr. Birthe Berg. Die Allgemeinmedizinerin, die gemeinsam mit Dr. Catrin Reichwald eine Praxis an der Bruchhauser Straße betreibt, ist eine von 23 Erkrather Ärzten, die damit drohen, dass sie ihre Praxen schließen müssen.

Schuld sei die seit 1. Januar dieses Jahres gültige Gesundheitsreform. "Danach verdiene ich an einem Patienten 35 Euro po Quartal", sagt Dr. Berg. Egal, ob der ein- oder zehnmal die Praxis besucht. Zuvor seien es 50 Euro pro Patient gewesen.

Da diese Zahlen dem Laien wenig sagen, redet die 41-Jährige Klartext: "Wir haben hier einen Quartalsumsatz zwischen 45 000 und 48 000 Euro", sagt sie. Abzüglich der Praxis- und Personalkosten "bleiben rund 20 000 Euro übrig". In drei Monten, wohlgemerkt. Dividiert durch drei macht das rund 7000 Euro pro Monat.

Geteilt durch zwei bleiben 3500 Euro brutto für jede der beiden Ärztinnen. Bei mindestens 60 Arbeitsstunden pro Woche ergibt das einen Stundenarbeitslohn von 14,50 Euro. "Dafür habe ich mich nicht zwölf Jahre lang ausbilden lassen."

Den eigenen Kontostand bewerten die beiden allerdings nur als einen Teil des Problems. Der andere sei die Gesundheit der 1200 Patienten, die pro Quartal die Praxis aufsuchen. "Wenn wir zuviel verordnen, haften wir mit unserem Privatvermögen", sagt Dr. Berg. Da müsse sie abwegen, ob sie dem Patienten das 200-Euro-Medikament ohne oder das für 13 Euro mit Nebenwirkungen verschreibt. Und die Diagnose leidet ebenfalls. "Wer sich wirklich viel Zeit für Patienten nimmt, geht Pleite", sagt Dr. Reichwald.

Dass die Kundschaft für weniger Beratung künftig stärker zur Kasse gebeten wird, weil die drei Spritzen gegen die Rückenschmerzen - Preis um die 13 Euro - nicht mehr in den 35 Euro enthalten sind, ist einem von ihnen sehr wohl bewusst.

Heinrich Schuster (60) ist Patient von Dr. Berg. "Ich bin bereit, selbst Kosten zu übernehmen", sagt der Kassenpatient. Er habe geradezu ein schlechtes Gewissen, wenn er sich pro Quartal mehr als einmal einen Termin bei seiner Hausärztin geben lasse. "Ich gehe dann schon mal in die Apotheke statt zum Arzt."

Die aktuelle Entwicklung bereite ihm Sorge. "Ich brauche meine Hausärztin. Ich habe Angst vor Versorgungszentren, in denen ich den Arzt, der mich behandelt, gar nicht kenne."

Noch hat er seine Anlaufstelle, wenn’s irgendwo ziept. Einige von Bergs Kollegen sind bereits Pleite. "Was wir wollen? Die Verantwortlichen sollen sich mal die Gebührenordnung für Anwälte anschauen", so Berg. Ihr Ziel sei die optimale Versorgung ihrer Patienten - und für die Hausärztin zählt dazu auch der Fall des Patienten, um dessen Hund sie sich nach seiner Einweisung ins Krankenhaus gekümmert hat.

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