Anonyme Alkoholiker sprechen über ihre Sucht

Die WZ sprach mit ehemaligen Süchtigen, die sich bei den Anonymen Alkoholikern treffen.

Mettmann. Hans räuspert sich, dann wird es leise. Sorgfältig liest er Wort für Wort der Präambel vor. „Unser Hauptzweck ist, nüchtern zu bleiben und anderen Alkoholikern zur Nüchternheit zu verhelfen“, schließt er und ergänzt: „Mein Name ist Hans und ich bin Alkoholiker.“ Sechs Leute sind diesmal zum Treffen der Anonymen Alkoholiker in Mettmann gekommen — Hans ist einer von ihnen. Er ist seit fünfeinhalb Jahren trocken.

Seine Sucht besiegte er erst, nachdem er mit zwei Promille im Blut einen Autounfall baute. „Mein Führerschein war weg und das Auto Schrott. Gott sei Dank gab es keine Verletzten“, sagt er. „Da hat es mir gereicht.“

Ähnlich ging es auch Brigitte, Volker oder Rainer, die mit Hans am Tisch sitzen. Sie alle haben lange Alkoholkarrieren hinter sich, sie alle haben es geschafft, aus dem Teufelskreislauf auszubrechen.

Nicht immer gelang es beim ersten Mal, oft gab es Rückfälle. Auch bei Hans. „Die Phasen, in denen ich trocken war, wurden immer kürzer, die Rückfälle immer schwerer.“ Alkoholsucht ist eine schleppende Krankheit, sie beginnt häufig mit einem Bier und endet oft mit der täglichen Flasche Wodka. „Ich habe schon morgens mit einer Flasche Bier angefangen. Tagsüber kamen dann die härteren Sachen“, sagt Brigitte, die inzwischen seit zwölf Jahren trocken ist.

Jede Woche treffen sich die Anonymen Alkoholiker und sprechen über ihre Woche. Sie tauschen Sorgen aus, hören einander zu und versuchen, sich gegenseitig Halt zu geben. „Hier kann alles gesagt werden. Man fühlt sich nicht beobachtet, sondern kann sich in Ruhe mit seinen Problemen auseinandersetzen“, sagt Rainer, seit fast drei Jahren trocken. Er gibt aber zu: „Als ich das erste Mal hierherkam, war ich vorher total verunsichert.“

Viele Menschen leben ihre Alkoholsucht anonym aus. Was allein an der Teilnehmerzahl zu erkennen ist. Sechs Personen sind zu dem Treffen gekommen. „Rein statistisch gesehen müssten allein in Mettmann mit seinen knapp 40 000 Einwohnern etwa 3000 Leute ein Alkoholproblem haben“, sagt Hans.

Doch das Eingestehen der eigenen Sucht ist nicht leicht, weiß auch Rainer: „Zu sagen ‚Ich bin Alkoholiker‘ — das muss einem erst mal über die Lippen kommen.“ Nicht jeder schafft es, dem Alkohol endgültig zu entsagen. Die Rückfallquote liegt bei 80 Prozent. „Daher freue ich mich auch so, dass ich es geschafft habe“, sagt Brigitte. Ihre Familie drohte an ihrer Sucht zu zerbrechen. Ihre Kinder litten, ihr Mann wusste nicht mehr weiter. Heute haben sie ihr verziehen, haben wieder Vertrauen zu ihr gefunden. Dafür reichte es jedoch nicht nur, die Finger vom Alkohol zu lassen. „Die Wurzel der Sucht ist ja, dass man vorher nicht glücklich war“, sagt Rainer. „Wer dauerhaft trocken ist, hat sein Leben verändert“, sagt er.

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