Liebesspiele in der Steinzeit

Hatte der Neandertaler nur Sex im Kopf? War er womöglich ein notorischer Fremdgänger? Von wegen: Der Steinzeitmensch hatte durchaus Sinn für Romantik, ist die Forschung überzeugt.

Kreis Mettmann. „Guter Sex ist Neandertaler-Sex“ war kürzlich von Charlotte Roche zu hören. Die Bestsellerautorin mit offenkundiger Neigung zu Romanthemen, die sich überwiegend unterhalb der Gürtellinie abspielen, müsste es eigentlich wissen. Für ihre „Feuchtgebiete“-Recherchen hat sie sich bis in die Gelüste der Steinzeit vorgewagt und festgestellt: „Sex ist etwas Tierisches“.

Wie soll man sich das nun vorstellen? Haben unsere männlichen Vorfahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Jagdwild laufen lassen, um dem nächstbesten Fellröckchen hinterher zu schleichen? Also Sex zwischendurch, während die anderen im Wald Beeren sammeln? War womöglich das ganze Neanderland ein steinzeitlicher Swinger-Club?

Bärbel Auffermann winkt lächelnd ab. „Da können Sie ruhig eine kleine Liebesgeschichte schreiben“, beginnt die stellvertretende Direktorin des Neanderthal-Museums mit ihrer Version der Neandertaler-Sex-Geschichte. Und die hört sich gänzlich anders an.

Dass es im „Gesteins“ zugegangen sein soll wie bei den lüsternen Bonobo-Affen, glaubt Auffermann nicht. Sich ums Überleben kümmern und dann noch ständig unterm Bärenfell verschwinden? Da wäre die Menschheit wohl ziemlich schnell ausgestorben. „Beim Neandertaler kommt mir durchaus Romantik in den Sinn. Und verliebt waren sie bestimmt auch“, räumt Bärbel Auffermann mit den Vorurteilen über das ausschweifende Liebeslieben im Neanderland auf. Auch bei Führungen durchs Museum wird sie oft danach gefragt. „Haben die sich auch geküsst?“, wollen schon die jüngsten Besucher wissen.

Ein Tabu-Thema ist das Sexualleben unserer Vorfahren jedenfalls nicht, auch wenn sich Forscher bis heute darüber streiten, ob sich Homo neanderthalensis und Homo sapiens mehr als nur getroffen haben könnten. Erst vor zwei Jahren hatte das Leipziger Max-Planck-Institut die „wissenschaftliche Sensation“ verkündet. Man hatte das Erbgut des Neandertalers mit dem Genom des modernen Menschen verglichen und festgestellt, dass wir alle ein Stück Neandertaler in uns tragen.

Übrigens: Auch der steinzeitliche Swinger-Club hat die Forschung vor kurzem wieder beschäftigt. Dafür haben die Wissenschaftler unseren Vorfahren im wahrsten Sinne des Wortes genau auf die Finger geschaut, und das Ergebnis war durchaus alltagstauglich. „Das Sexualhormon Testosteron beeinflusst die Länge des Ringfingers im Verhältnis zum Zeigefinger. Es macht männlicher und aggressiver in Konkurrenzsituationen“, ließen die Forscher der University of Liverpool wissen, was so viel heißt wie: Männern sollte einmal genauer auf die Finger geschaut werden. Je größer der Längenunterschied zwischen Zeige- und Ringfinger, desto eher könnte ihm auch ein anderes Fellröckchen gefallen — meinen zumindest die Forscher.

Wie wild das Sexleben im Neanderland denn nun wirklich war, ist dagegen immer noch nicht geklärt. Zwar lagen in Liverpool auch ein paar Knochen des Homo neanderthalensis auf dem Tisch der Paläontologen, sein Geheimnis wollten sie allerdings nicht preisgeben.

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