Letzte Hoffnung: Deutschland

Aufgrund der anhaltenden Krise kommen immer mehr junge Südeuropäer in den Kreis. In ihrer Heimat finden sie keine Jobs mehr.

Kreis Mettmann. Er lächelt, auch wenn ihm gar nicht zum Lachen zumute ist. „Es ist schlimm. Und es sieht nicht so aus, dass sich die Situation bald ändern sollte“, sagt Panajitis Kiakos. Der junge Grieche sitzt am Tisch des Restaurants „Akropolis“ in Wülfrath.

Er verbringt vier Wochen bei Angehörigen in Deutschland, hilft an der Theke, testet, ob Deutschland die richtige Alternative zum Chaos in seiner Heimat sein könnte. „In Athen gibt es für mich kaum eine Zukunft“, sagt er.

Kiakos ist 24 Jahre alt und gelernter Elektriker — ohne Aussicht auf einen Job. „Da denkt man natürlich darüber nach, wie es wo weitergehen kann“, sagt er. Das gehe vielen in seinem Bekanntenkreis so. Die Stimmung werde zunehmend schlechter. „Früher sind wir ausgegangen, um zu feiern. Heute gehen wir aus, um zu verdrängen, um abzuschalten.“

Bereits seit über einem Jahr lebt die Italienerin Teresa Mezzina bei ihrem Onkel und ihrer Tante in Velbert. Die 24-Jährige hat in der Hafenstadt Bari zwei Jahre Englisch und Französisch studiert, doch sah sie in ihrer Heimat keine Zukunft mehr: „Es war für mich sehr schwer meine Familie und Freunde zurückzulassen. Meine Eltern waren ziemlich traurig, und sie fehlen mir. Aber für meine Generation gibt es leider seit zwei Jahren keine Arbeit mehr in Italien“, sagt sie.

Mezzina hat an der Velberter Volkshochschule (VHS) bereits zwei Deutschkurse besucht und spricht daher gutes Deutsch. Die junge Italienerin ist fleißig, denn um ihren Verwandten nicht auf der Tasche liegen zu müssen, putzt sie zudem jeden Tag mehrere Stunden lang in einer Essener Klinik.

Zurzeit belegt sie an der VHS den Kurs „Deutsch für den Beruf“ mit dem Fernziel, die Zulassung an einer deutschen Universität zu schaffen. „Ich möchte Sprachen studieren und später Lehrerin werden. In Deutschland werden ja noch Lehrer gesucht“, sagt sie.

Dass es sich bei Panajitis Kiakos und Teresa Mezzina nicht um Einzelfälle handelt, belegen auch Zahlen des Statistikamtes IT-NRW. Während im Jahr 2005 noch 35 Ausländer aus Griechenland in den Kreis Mettmann gezogen sind, waren es 2011 mit 126 fast viermal so viele. Die Zahl der Zuwanderer aus Italien ist ebenfalls von 67 auf 119 stark angestiegen. Ähnliches gilt für die Auswanderungen aus Portugal und Spanien.

Bestätigt wird diese Tendenz von der zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), die Ausländer an deutsche Arbeitgeber vermittelt: „In den vergangenen drei Jahren ist die Nachfrage aus Südeuropa nach Informationen zum deutschen Arbeitsmarkt deutlich gestiegen“, sagt Pressesprecherin Beate Raabe. Potenzielle Fachkräfte informiert die Arbeitsagentur auf Veranstaltungen vor Ort.

Panajitis Kiakos’ erste Eindrücke von Wülfrath sind gut. Er kann sich schon vorstellen, bald wieder zu kommen. „Aber dafür muss ich die deutsche Sprache können.“ Zurück in Athen werde er einen Deutschkurs machen. Erst dann könne er nach Arbeit schauen. Als Elektriker? „Egal. Hauptsache ein Job.“ Das Familienoberhaupt Nico Katsoros, bei dem der junge Grieche während der vier Wochen lebt, ist in seinem Urteil drastischer. „Griechenland ist wie eine Mutter, die ihre Kinder fortjagt“, sagt Katsoros.

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