Knochenarbeit: Bücken, pflücken, Aua-Rücken

Jedes Jahr malochen auf deutschen Feldern tausende Osteuropäer. Wie hart ist dieser Job wirklich? Protokoll eines Selbstversuchs auf einem Erdbeerfeld.

<strong>Langenfeld. Es ist zwanzig nach fünf - morgens. Frühdunst liegt über dem Erdbeerfeld in Richrath. 20 Frauen und Männer beugen sich zwischen den langen Reihen der Stauden nieder, die schwer sind von prächtigen Früchten. Darunter ich. Stadtmensch, übernächtigt, mit Gummistiefeln aus dem Baumarkt, alten Klamotten und einem flauen Gefühl im Magen. Für einen Tag versuche ich mich als Erntehelfer. Akkordarbeit bei Bauer Markus Weeger, für 42 Cent pro Kilo. Dafür schuften fast nur Osteuropäer. "Wenn mir das Arbeitsamt Deutsche schickt, springen die in der Regel nach einem Tag wieder ab", sagt Weeger.Frauen sind auf dem Feld in der Überzahl. "Die pflücken geschickter und besser als Männer", so Weeger. Die Morgendämmerung schimmert am Himmel, Vögel zwitschern. Doch meine Aufmerksamkeit in den nächsten Stunden ist auf den Boden gerichtet. I ch bekomme einen so genannten Ernteschlitten und die erste Kiste. 10 Kunststoff-Schachteln à 500 Gramm habe ich zu füllen. Auf dem Schlitten, einem Metallgestell aus dünnen Stäben, soll ich die Kiste durch die Reihen ziehen. Ich knie mich hin.

2,10 Euro brachte die erste Stunde Arbeit ein

Bauer Weeger zeigt die Pflücktechnik: "Die Erdbeere nur am Stiel anfassen und abknipsen." Dann kurz kontrollieren und behutsam in das Schälchen legen. Die reife Beere ist unglaublich empfindlich. Aber für 4,60 Euro das Kilo hat der Kunde ein Recht auf 1a-Ware. "So pflücken kann keine Maschine", sagt Weeger, "das können nur Menschen." Ich gehe mit den Händen durch den Strauch, suche stets die schönsten Beeren. Nach einer Weile wird die gehockte Position unangenehm. Also stelle ich mich, wie die anderen, breitbeinig über die Erdbeerstauden und bücke mich über die Früchte. In der Reihe neben mir arbeitet Helena (27). Sie, mit acht Jahren aus Polen nach Langenfeld gekommen, spricht als einzige Pflückerin fließend Deutsch. Sie arbeitet zum ersten Mal als Erntehelferin, seit Beginn der Saison am 1. Mai. "Ich wollte einen Job, bei dem ich braun werde, abnehme und Polnisch lerne", sagt die ehemals arbeitslose Arzthelferin fröhlich, "alles hat bisher geklappt." Halb sieben. Stolz bringe ich die erste gefüllte Kiste zu Viktor, dem Vorarbeiter. Auf der Waage prüft er das Gewicht und kontrolliert die Qualität der Beeren. Ich bekomme einen kleinen Bon über meinen Verdienst: Ernüchternde 2,10 Euro. "Gute Pflücker machen zwischen acht und zwölf Euro", erzählt Viktor.

"Erdbeeren kann keine Maschine pflücken. Das können nur Menschen."

Markus Weeger, Bauer

Halb zehn. Die erste längere Pause. Der Rücken macht noch gut mit, aber der Wechsel zwischen Hocke und Bücken geht mächtig in die Beine. Im Büro hätte ich mir gerade den ersten Kaffee geholt. Nur mit Mühe komme ich aus dem Sitzen hoch. Die anderen grinsen.

Zahlen: Wie viele Erntehelfer im Kreis im Einsatz sind, war nicht zu ermitteln. In NRW sind knapp 20 000 ausländische Saisonkräfte zugelassen.

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