Kindesmisshandlung in Erkrath: „Es gab keine Anzeichen“

Die Mutter und Geschwister des zu Tode gequälten Daniel (2) waren dem Jugendamt bekannt. Auffällig waren sie aber nicht, heißt es.

Erkrath. Erkraths Jugendamtsleiter Uwe Krüger kann es immer noch nicht fassen. "Der kleine Junge wurde mit heißem Wasser verbrüht. Wer macht denn so etwas?", fragt er sich und schüttelt ratlos den Kopf.

Eine Woche ist es her, dass der zwei Jahre alte Daniel tot in einem Mehrfamilienhaus im Erkrather Stadtteil Hochdahl gefunden wurde - der kleine Körper mit Blutergüssen übersät, der Rücken großflächig verbrannt oder verbrüht. Mit so einen schlimmen Fall von Kindesmisshandlung hat sich Uwe Krüger in Erkrath noch nie auseinandersetzen müssen.

"Wir reflektieren unsere Arbeit, halten Krisensitzungen ab, hinterfragen uns selbst", sagt Krüger. "Aber der Fall ist und bleibt heftig." Dass er und seine Mitarbeiter alles getan haben, was sie tun konnten, steht für ihn außer Frage. "Ich habe keinen Ansatzpunkt, an dem ich etwas hätte besser machen können", sagt er.

Die vier Kinder der inzwischen unter Tatverdacht stehenden und in Untersuchungshaft sitzenden Mutter (31) waren regelmäßig bei den vorgeschrieben Vorsorgeuntersuchungen. "Wir haben keine gegenteiligen Mitteilungen vom Kreisgesundheitsamt erhalten", sagt Krüger.

So habe es auch für ihn und seine Mitarbeiter keinen Grund gegeben, die Familie zu besuchen. Und im Kindergarten war der kleine Junge noch nicht. "Unsere Erzieherinnen sind gut geschult, um Fälle von Kindeswohlgefährdungen oder Vernachlässigungen zu erkennen", sagt Krüger.

Dennoch war die Familie dem Jugendamt durchaus bekannt. Ein Babybegrüßungspaket hat Daniel zwar nicht erhalten - der Junge wurde im Mai 2008 geboren, das Paket erst sechs Monate später eingeführt - aber ein verstauchter Finger der ältesten Tochter (damals zehn Jahre alt) führte zwei Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes vor zwei Jahren zu der Mutter und ihren vier Kindern.

"Damals und auch bei einem zweiten Kontrollbesuch drei Monate später war alles im grünen Bereich", versichert Krüger. Seine Mitarbeiter hätten die Kinder begutachtet - der kleine Daniel war zu der Zeit noch ein Säugling -, sich angeschaut, wo und wie die Kinder schlafen und auch deren Körper in Augenschein genommen.

"Das war eine richtige Kontrolle", sagt Krüger. "Aber wir sahen zu keiner Zeit irgendwelche Anzeichen, die uns beunruhigt hätten. Die gab es einfach nicht. Der Fall war sauber."

Auch als die Schule vor einigen Wochen dem Jugendamt meldete, die älteste Tochter - sie ist jetzt zwölf Jahre alt - wirke zurückgezogen und traurig, wurde das Jugendamt nicht misstrauisch. Schließlich folgten Mutter und Tochter nicht nur der Einladung der Mitarbeiter zu einem Gespräch, sie erklärten sich auch bereit, den schulpsychologischen Dienst in Anspruch zu nehmen - nachdem es in den Gesprächen im Jugendamt ausschließlich um schulische Probleme der Tochter gegangen war.

Das Thema Gewalt sei nicht zur Sprache gekommen. "Eine Woche später erhielten wir die Nachricht, dass die beiden einen Beratungstermin vereinbart hatten und weitere folgen sollten", sagt Krüger. "Die Familie wirkte zuverlässig, kooperativ, schien unsere Hilfen anzunehmen. Aber bevor der Termin stattfinden konnte, wurde der Junge gefunden."

Für Jugendamtsleiter Uwe Krüger steht fest: "Eine hundertprozentige Sicherheit durch den Staat kann es nicht geben. Selbst wenn wir uns noch so engagieren und uns Mühe geben, diese Sicherheit gibt es nicht."

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