Kinderförderung: Das rätselhafte Bildungspaket

Die Förderung benachteiligter Kinder wirft viele Fragen auf. Bis jetzt haben 300 von 20 000 Berechtigten im Kreis Mettmann einen Antrag auf Leistungen gestellt.

Kreis Mettmann. Martina Gödde (Name geändert) ist bereits um 8.30 Uhr ins Jobcenter gekommen. Schon jetzt ist jede Menge los im Wartesaal. Nach einer halben Stunde wird sie aufgerufen. Mit ihren Kindern Max, Tini und Vivien geht sie in das Büro ihres Fallmanagers. Der schickt sie aber gleich zu einem Kollegen weiter: Bei ihm soll sie den Antrag für das Bildungspaket stellen.

Seit dem 1. April können Eltern, die Hartz-IV, Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, einen Antrag auf Leistungen aus dem Bildungspaket stellen. Auch Asylbewerber sind anspruchsberechtigt. Sie bekommen Kosten für Schulausflüge und Klassenfahrten ihrer Kinder erstattet. Nachhilfekosten werden ebenfalls übernommen, wenn das Kind versetzungsgefährdet ist.

Zudem werden die Kosten für das Mittagessen an Schulen und Kindergärten bis auf einen Eigenbedarf von einem Euro bezahlt. Die Leistungen für den Schulbedarf (100 Euro pro Schuljahr) gibt es außerdem, dazu noch zehn Euro pro Monat und Kind, damit sie ein Kultur- oder Freizeitangebot wahrnehmen können.

„Viele Leistungen habe ich schon bekommen, bevor es das Bildungspaket gab“, sagt Gödde. Wirklich neu sei für sie die Übernahme von Nachhilfekosten und der Zuschuss von zehn Euro für Kultur- und Freizeitangebote. Sie ist aber der Ansicht, dass dieses Geld nicht ausreicht: „Was soll ich davon bezahlen?“, fragt sie sich. Ihre Tochter Vivien hätte gerne einen Voltigier-Kurs gemacht. „Aber Reiten ist teuer. Hinzu kommt die Ausrüstung wie Reithose und Schuhe. Da wäre ich mehrere hundert Euro los“, sagt sie. Die zehn Euro seien ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Damit spricht sie das aus, was viele Leistungsberechtigte denken. Dazu gehören nach Angaben der Kreisverwaltung rund 20 000 Menschen im Kreis Mettmann. Den Antrag auf Leistungen aus dem Bildungspaket haben bis jetzt 300 gestellt. Doch nicht nur die mangelnde Nachfrage der Eltern ist ein Problem des Bildungspakets: Bei vielen Kommunen und Jobcentern gibt es Unklarheiten, wie die Anträge bearbeitet und die Leistungen ausgezahlt werden.

So berichtet Eckhard Löwenstein, stellvertretender Leiter des Ratinger Sozialamtes, dass die Verwaltung noch keine Software hat, um Anträge bearbeiten zu können. „Uns liegen keine Informationen vom Bund vor, wie wir das machen sollen“, sagt er. Überhaupt ist er der Meinung, „dass das Bildungspaket mit der heißen Nadel gestrickt ist“. Niemand weiß, wie das Geld die Vereine oder Musikschulen erreichen soll. Und er hat die Erfahrung gemacht, dass nur wenige den Antrag stellen. Von rund 800 Berechtigten, haben 20 die Formulare ausgefüllt.

Ähnlich sieht es in Monheim aus. Dort haben 625 Personen Anspruch auf Leistungen. „Aber erst 20 haben einen Antrag gestellt“, berichtet Sozialamtsleiterin Marion Warden. „Viele Eltern haben schon vor Einführung des Pakets Leistungen wie Geld für Lernmaterialien oder das Schulessen bekommen. Sie denken jetzt: Hab ich doch eh schon. Und sie stellen keinen Antrag.“ Warden übt auch Kritik am Antragsverfahren: „Es gibt sechs unterschiedliche Leistungen, die alle gesondert beantragt werden müssen. Das ist ein bürokratischer Wahnsinn.“

Damit mehr Eltern den Antrag stellen, haben die Städte mit dem Kreis ein Informationsschreiben entworfen. Es soll in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Vereinen und anderen Freizeiteinrichtungen ausliegen, damit Eltern besser über das Bildungspaket informiert werden.

„Wir müssen noch mehr herausstellen, was neu an dem Bildungspaket ist“, sagt Birgit Jommersbach, Koordinatorin für das Bildungspaket beim Kreis Mettmann, der als Träger der Grundsicherung für die Hartz-IV-Empfänger zuständig ist. Sie kann erklären, wie die Abrechnung der Leistungen funktionieren soll: „Eltern gehen mit dem Antrag zum Verein, der auf dem Formular bestätigen muss, dass ein Kind ein Angebot wahrnimmt. Dann müssen die Eltern den Antrag beim Amt oder dem Jobcenter abgeben. Das Geld wird dann direkt an den Verein überwiesen.“

Sorgen, dass es Schwierigkeiten bei der Abrechnung geben wird, hat Guido Mallwitz, Leiter der städtischen Musikschule in Erkrath, nicht. „Bei uns soll das zentral im Jugend- und Sozialamt geregelt werden“, sagt er. Vollständig finanzierbar ist mit den zehn Euro aber keines der Angebote der Musikschule. Das Einsteigerpaket für die musikalische Früherziehung kostet 13,25 Euroim Monat, der Musikunterricht schlägt mit 27 bis 39 Euro pro Monat zu Buche und ist abhängig von der Größe der Gruppe oder ob das Kind einzeln unterricht wird.

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