Interview mit der Pfadfinderin Tanja Kröll - Menschenfreunde in Uniform

Auch nach 100 Jahren hat die Pfadfinder-Bewegung für junge Leute große Anziehungskraft.

<strong>Kreis Mettmann. Fast 40 Millionen junge Leute aus 216 Ländern tun es. Sie tragen Uniformen, kampieren am Lagerfeuer, tun jeden Tag eine gute Tat. Sie sind Pfadfinder - Teil einer weltweiten Bewegung, die vor 100 Jahren von General Robert Baden-Powell gegründet wurde. Auch im Kreis Mettmann gibt es mehrere so genannte Stämme. Aber was macht das Pfandfinder-Sein eigentlich aus? Darüber sprachen wir mit Tanja Kröll, Leiterin beim Lintorfer Stamm "Wikinger". Sie hat gerade mit tausenden Pfadfindern aus aller Welt in Berlin ein großes Jubiläums-Lager gefeiert. Frau Kröll, mal zu Beginn gleich eine Fachfrage: Wie macht man im strömenden Regen ein Feuer?Tanja Kröll (lacht): Gute Frage. So direkt würde ich sagen, man baut ein Zelt auf und hat dann ein Dach drüber. So funktioniert das zumindest, wenn wir im Lager unser großes Rundzelt aufbauen. Da regnet’s zwar ein bisschen rein, aber es ist trocken genug, um ein Feuer in Gang zu bringen. Ist es das, was man sich unter Pfadfinderleben vorstellen muss - Camping, Wald, Zelt, fernab der Zivilisation?Kröll: Es ist mehr als Camping. Aber deswegen kommen die Kinder in erster Linie zu uns: rausgehen ins Zeltlager, am Lagerfeuer sitzen, einen Staudamm bauen und so weiter. Dabei wollen die sich dann nach Herzenslust austoben, rumsitzen müssen sie anderswo ja genug. Sie sind seit Ihrem achten Lebensjahr Pfadfinderin. Was hat Sie dahin gebracht?Kröll: Ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich glaube, ein Klassenkamerad hat mich mal mitgenommen und ich bin einfach dabeigeblieben. Aber ich war vorbelastet: Schon mein Vater war Pfadfinder. Was hat die Faszination ausgemacht, dass Sie so lange dabeigeblieben sind?Kröll: Das ist schwer, das kurz zu sagen. Aus der Erwachsenen-Perspektive würde ich sagen, es ist eine gewisse Lebenseinstellung, die mit dem Pfadfinder-Sein verbunden ist, die mich geprägt hat. Ich habe dort viel gelernt, zum Beispiel Teamfähigkeit oder das freie Reden vor einer großen Gruppe. Als Pfadfinder muss man schon als Achtjähriger viel Selbstständigkeit zeigen und Dinge selbst organisieren. Sowas prägt einen bis ins Erwachsenenalter, auch im Beruf.

"Wenn ein Pfadfinder an der Tür klingelt, wird ihm fast immer geöffnet."

Gehört auch das berühmte Motto dazu - jeden Tag eine gute Tat? Schafft man das eigentlich?Kröll: Das kann im Grunde jeder ganz einfach schaffen, nicht nur ein Pfadfinder. Für mich heißt das schlicht, mit offenen Augen durch die Welt gehen, für meine Mitmenschen da sein, freundlich miteinander umgehen. . . Haben Sie heute eine gute Tat getan?Kröll: Ja! Welche?Kröll: Das war etwas, das mit meinem Beruf zu tun hat. Ich glaube nicht, dass derjenige, den das betrifft, das in der Zeitung lesen möchte. Aber ich denke, er hat es auch so gesehen, dass es eine gute Tat war. Wie passst diese Einstellung mit Ihrem Ursprung zusammen: Die Pfadfinder wurden von einem Offizier gegründet, es gibt Ränge, Uniformen, rustikale Stammesnamen - sind Pfadfinder eine militaristische Organisation?Kröll: Auf keinen Fall! Klar, es gibt eine Kluft mit Halstüchern in verschiedenen Farben als Zeichen der unterschiedlichen Altersgruppen. Aber niemand wird gezwungen, die zu tragen. Die meisten Kinder finden diese Kleidung übrigens toll. Sie stärkt auch die Identifikation miteinander. Und die Leute erkennen Dich sofort als Pfadfinder, was einem in der Regel positive Reaktionen einbringt: Wenn ein Pfadfinder an der Tür klingelt, wir ihm fast immer geöffnet. 100 Jahre sind eine lange Zeit, in der eine Einrichtung auch schon mal Staub ansetzen kann. Haben Sie Nachwuchsprobleme?Kröll: Überhaupt nicht. Es ist vielleicht schwierig, die Leute zu halten, wenn sie älter werden und zum Studium oder zur Ausbildung weggehen - zum Beispiel als Gruppenleiter. Aber für die Kleinen haben wir sogar eine Warteliste, und das sieht bei anderen Stämmen genauso aus. Ist Pfadfinder sein eigentlich mehr eine Sache für Jungs, eine Männergesellschaft?Kröll (lacht): Nein, es gibt genug Mädels, die keine Mimosen sind und gerne mal etwas draußen erleben möchten. Und bei den Wölflingen, unseren Jüngsten, haben wir sogar 80 Prozent Mädchenquote. Das führt mich zu der Abschlussfrage, wie lange Sie noch Lust haben, sich mit dem Zelt in Regen und Kälte zu legen.Kröll: Bis mich die Kinder nicht mehr wollen. Aber es gibt da einen Spruch: Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder. Wir haben genug Ältere, die mit 50 noch gern ins Zeltlager fahren, wenn Zeit da ist. Das lässt einen nicht mehr los. 25 Jahre in Kluft
Tanja Kröll ist seit 1982 Pfadfinderin. Foto: privat

Leiterin Tanja Kröll (33) ist seit 1982 Pfadfinderin beim Lintorfer Stamm "Wikinger" und ist heute als Leiterin vor allem für die jüngsten Pfadfinder (Wölflinge) verantwortlich. Wenn sie nicht im Zeltlager ist oder Gruppentreffen leitet, arbeitet Kröll als kaufmännische Angestellte.

Stamm Die 1952 gegründeten "Wikinger" haben 50 Mitglieder und gehören zum Pfadfinderverband Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG). Zu ihm gehören elf der insgesamt 15 Pfadfinderstämme im Kreis Mettmann. Mehr zu den "Wikingern":

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