Im Rausch der Geschwindigkeit

Seit 1966 gibt es in Mettmann den Slotcar-Verein. Die Mini-Boliden schaffen Tempo 45.

Mettmann. "Was der Kick ist? Die Geschwindigkeit", schießt es aus Peter Reichmann hervor. Der Mettmanner hat den Tunnelblick. Denn seine ganze Konzentration gilt einem etwa 15 Zentimeter langen Geschoss, das über eine Holzbahn brettert. Die ist 46 Meter lang, hat sechs Spuren, fünf Kurven und zwei Zehn-Meter-Geraden fürs Vollgas.

Mit einem Handregler kontrolliert Reichmann die rasante Fahrt und jagt den Mini-Boliden Runde um Runde über die Strecke. In den Kurven zuckt der Daumen für den Bruchteil einer Sekunde zurück. Dass das Gefährt langsamer wird, ist mit dem bloßen Auge kaum auszumachen. Wohl aber, dass der Daumen den Knopf wieder durchdrückt und Reichmann die "Karre" bis zum Anschlag fährt.

Neben ihm stehen fünf weitere Rennfahrer - Freunde im Geiste, aber Konkurrenten an der Bahn. Sie alle sind Mitglieder der Slotracing Organisation West (Slow), dem Mettmanner Slotcar-Verein.

"Slotcar-Fahren ist so ähnlich wie Carrera-Bahn-Fahren", erklärt Werner Naujoks, der 1966 zu den Gründungsmitgliedern des Klubs gehörte. "Damals, in den 60ern und 70ern, erlebte das Slotcar-Fahren seine Blütezeit. In den späten 80ern gab es noch mal eine Renaissance, und heute haben wir Nachwuchsprobleme."

Wie bei der Carrera-Bahn brausen die Wagen über ein Stromabnehmersystem in einem Führungsschlitz, dem Slot, über das Oval. Das war’s aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. "Die Carrera-Fahrer schaukeln ihr Autos doch bloß um die Bahn", wirft Reichmann ein. "Wir fahren echte Rennen."

Der größte Unterschied: Die nur auf den ersten Blick vergleichbaren Rennwagen sind getunt und frisiert bis dorthinaus. Die Chassis bestehen aus extrem leichtem Lexan, einem durchsichtigen Kunststoff, und sind im normalen Spielwarenladen nicht zu bekommen. "Die gibt es nur in Fachkreisen", so Naujoks. Spezialreifen, ein spezielles Haftmittel, damit die Renner nicht so schnell aus der Spur fliegen, ein spezieller Motor, der im Leerlauf bei zwölf Volt 53 000 Umdrehungen pro Minute hinlegt und in der Spitze über 45 km/h auf die Bahn bringt. Zum Vergleich: Carrera-Autos sind um die 18 km/h schnell.

Spezial sind auch die Bedingungen in den Katakomben des Konrad-Heresbach-Gymnasiums. Im ehemaligen Fahrradkeller haben Naujoks, Reichmann und die restlichen 23 Mitglieder seit Jahren ihre Bleibe. Die Bahn ist fest installiert, an der Kopfseite gibt es eine holzgetäfelte Sitzecke samt Vitrinen mit Pokalen aus vergangenen Tagen. Und entlang der Piste sind in mehreren Nischen die Boxen untergebracht. Dort sitzen die Piloten - alles übrigens erwachsene Männer im Alter zwischen 35und 83 Jahren - und tüfteln an ihren Werkbänken, um das letzte Zehntel aus ihren Rennern herauszuholen oder Unfallschäden zu reparieren.

Jeden Dienstag ab 18 Uhr heißt es "Gentlemen, start your engines". Dann heizen Banker neben Ingenieuren und Handwerker neben Rentnern, bis sich die Holzbohlen biegen - natürlich mit elektronischer Zeitmessung. "Die Messung ist bis auf die 1000stel-Sekunde genau", erklärt Naujoks, um hinterherzuschieben: "Vorher werden die Wagen von Rennkommissar Bodo Behnisch vermessen. Außerdem kommen die Reifenbreite und die Bodenfreiheit auf den Prüfstand. Es muss ja alles seine Richtigkeit haben", sagt Naujoks. Ausgerechnet sein Wagen muss diesmal schon vor dem Rennen in die Box: Der Heckspoiler ist zu hoch. So ist das eben, wenn Erwachsene mit Modellautos Rennen fahren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort