Alte Liebe rostet nicht

Selbst mit 90 Jahren schlägt das Herz von „Joka“ Friedrich noch für alte Adler-Motorräder.

Hilden. Es ist ein Wohnzimmer wie eine Antiquitätensammlung: ein Tisch mit samtiger Decke, geschliffene Kristallgläser in Rot und Blau, ein Porzellanservice auf einer Anrichte. Ein Hauch von Schokoladenkeksen liegt in der Luft — und in der Ecke steht ein Motorrad. Auf einem Podest.

„Fahrrad fahren ist viel zu gefährlich“, sagt Johann Karl „Joka“ Friedrich. Trotz seiner mehr als 90 Lebensjahre ist der gelernte Grafiker und Karikaturist noch als Biker unterwegs: „Da kann ich einfach Gas geben und bin ’raus aus der Situation.“

Die Wohnzimmer-Maschine mit dem Logo der Adler-Werke auf dem Tank hat Friedrich nach eigenen Zeichnungen verändert. „Die haben nur bis 1957 produziert. Ich baue Adler-Motorräder so weiter, wie ich sie mir vorstelle“, sagt Friedrich. Dutzende Maschinen, darunter alte Werks-Rennmotorräder, habe er im Lauf der Jahrzehnte in seiner Werkstatt gehabt. Auspuffe wurden verlegt, und Motoren in neue Rahmen montiert. Für alle Räder holte sich Friedrich eine Straßenzulassung.

Als Grafiker arbeitete Friedrich für Zeitungen und Werbefirmen. Den „U-Dachs“ gestaltete er für Düsseldorf: Das gestreifte Tier mit blauer Latzhose wirbt seit den 1970er-Jahren für Verständnis bei Umleitungen für den U-Bahn-Bau.

„Ich muss mich entscheiden. Ich habe nur zwei Hände“, sagt Friedrich. Zeichnen sei seine zweite Leidenschaft. Im Arbeitszimmer seines Hauses an der Stadtgrenze zu Haan lagern händeweise bunte Filzstifte unter der Arbeitsplatte. „Ich habe noch so viele Ideen“, sagt Friedrich. Karikaturen unterschreibt er mit „Jokus“: „Der Spaßmacher. So wurde ich schon genannt, als ich ein Kind war.“ 1995 gewann er einen Cartoon-Wettbewerb mit einer Zeichnung zur Finanzpolitik: Beamte schossen mit einer Kanone Geld zum Bürofenster hinaus.

Motorrad-Cartoons von „Jokus“ druckt die Zeitschrift der Adler-Fans regelmäßig ab. Weil es von der Firma einige Autos gab, hat Friedrich auch die verulkt. „Aber Autos finde ich nicht witzig“, sagt der Zeichner.

Zu Adler kam Friedrich, weil die handlichen Bikes mit kleinen Rädern eine niedrige Sitzhöhe boten. „Ich bin auch Kawasaki gefahren, aber da bin ich abgestiegen wie vom Ross“, sagt Friedrich. Auch jetzt fahre er noch zum Hildener Oldtimer-Treffen und zum „Café Hubraum“ in Solingen-Kohlfurth: „Die staunen da nicht schlecht, wenn sie die Adler sehen“, sagt er.

Zeichnen und Motorräder — für Friedrich ist beides mit dem Krieg verknüpft. Als Kartenzeichner war er im Russland-Feldzug bei Leningrad und Moskau — auf einem Motorrad: „Da habe ich den Bazillus abbekommen.“ Friedrichs Schwester heiratete Klaus Döring, den ersten deutschen Meister der 125er-Motorrad-Klasse.

Trotz allem Zeichnen will Friedrich das Schrauben nicht aufgeben: „Ich habe noch zwei Motoren. Der Auspuff für die nächste Maschine steht bereit.“

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