Als Hilden zur Heimat wurde

Migration: Vor 50 Jahren kamen die ersten türkischen Arbeitnehmer nach Deutschland. Männer der ersten Stunde erzählen von damals.

Hilden. Der 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Arbeitnehmer-Anwerbeabkommens nähert sich. Aus den Anfängen ist die Geschichte eines Migranten überliefert, der im Supermarkt Eier kaufen wollte, sich aber nicht ausdrücken konnte. Also fing er an zu gackern wie ein Huhn und bekam schließlich seine Eier. Diese und weitere Geschichten waren im türkischen Erzählcafé zu hören, zu dem die Türkische Gemeinde Hilden in die Emir-Sultan-Moschee an der Otto-Hahn-Straße eingeladen hatte.

Gelassen steht Erhan Akyol am Mikrofon. Mit ruhiger und höflicher Stimme spricht er zu den zahlreichen Gästen. Immer wieder richtet er seinen Blick und seine Worte an Bürgermeister Horst Thiele, dem er mehrmals für sein Erscheinen dankt. Hinter Akyol, dem Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde, steht an die Wand projiziert der Satz „50 Jahre türkische Migranten in Deutschland“.

Bei türkischen Spezialitäten wird auch die aktuelle Integrationsdebatte thematisiert, von der Thiele sagt, sie sei meist viel zu verkürzt und unverhältnismäßig geführt worden: „Sicherlich gibt es Probleme, die nicht wegzudiskutieren sind. Aber wir in Hilden zeigen, dass nichts unlösbar ist.“

Lernen könne man sicherlich auch von der heutigen Großvatergeneration, ihren Erlebnissen und Ratschlägen. Jene Migranten der ersten Stunde standen beim Erzählcafé im Mittelpunkt. Einige Schilderungen, sagt Akyol, ähneln sich bei allen Migranten: „Sie alle begriffen den Gang nach Deutschland als große Chance, um eine bessere Zukunft zu gestalten und eine neue Welt kennenzulernen. Sie wollten Geld verdienen und dann in die Türkei zurückkehren.“

Der weitere Fortgang dieser Geschichte ist bekannt: Die Aufenthaltsgenehmigungen wurden stetig verlängert, und Mitte der 1970er-Jahre folgten die Familien ihren Vätern und Ehemännern nach Deutschland, um sich eine neue Existenz aufzubauen. „Zu dieser Zeit gab es in der Türkei politische Unruhen. Das hat die Entscheidung, den Männern nach Deutschland zu folgen, sicherlich erleichtert“, sagt Akyol.

Auch in seiner Familie lief es so ab. Vater Sabahattin erzählt von den Startschwierigkeiten in der neuen Umgebung: „Natürlich gab es anfangs große Sehnsucht nach der Heimat und der Familie, das war nicht leicht. Außerdem war die Sprache ein ganz großes Problem für uns. Wir mussten mit Händen und Füßen kommunizieren.“

Aber auch kulturell gab es einige Hürden zu überwinden. Sabahattin Akyol: „Ich habe zum Zuckerfest immer ein paar Bonbons mit in die Firma gebracht und mir auf die Brust schreiben lassen, dass wir das Fest aktuell feiern. Die Kollegen haben sich immer gefreut und auch mal mit uns gefeiert.“ Was er an Deutschland so liebt? „Hier leben heutzutage etwa 20 Nationen vereint, und jeder hat die Möglichkeit zu arbeiten und sich sein Brot zu verdienen. Natürlich sind die Chancen heute viel größer, aber der Schlüssel zu gelungener Integration liegt weiterhin in der Sprache und in der Bildung.“

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