Fluglärm: Leben in der Einflugschneise

Alle paar Minuten donnert ein Flugzeug über das Haus von Gabriele und Karsten Schemeit in Ratingen. „Aber wir wollten dieses Haus haben.“

Ratingen. „43 Dezibel.“ Karsten Schemeit legt den Kopf schräg und lauscht noch einmal: „Ja, ungefähr 43 Dezibel.“ Das Rauschen verklingt, es ist wieder still im Wohnzimmer an der kleinen Straße in Tiefenbroich — mitten in der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens.

Wenige Momente später wieder das dezente Rauschen: Der nächste Jet ist im Sinkflug über das Dach des Einfamilienhauses geflogen. Schemeit (44) hat inzwischen ein gutes Gespür für Lautstärken — und er hat Schallschutzfenster allererster Güte: Vierfach-Verglasung mit spezieller Gasfüllung, dazu Rollläden.

Vor vier Jahren haben Karsten Schemeit und seine Frau Gabriele (36) das Haus gekauft. „Ich bin mit dem Flughafen aufgewachsen, ich kenn’ das von klein auf.“ In der Ortsmitte von Tiefenbroich, wo er früher gewohnt hat, sei es allerdings ruhiger gewesen.

Vor drei Jahren wurden die Lärmschutzfenster eingebaut, seitdem ist der Flughafen „ausgesperrt“. Im Obergeschoss lassen sich die Fenster nicht öffnen, dafür gibt es eine spezielle Lärmschutzbelüftung. „Das hat der Flughafen organisiert, einbauen lassen und bezahlt“ sagt Schemeit. Und auch für die Fenster gab es noch was dazu, obwohl der Vorbesitzer schon unterstützt worden sei.

„Uns macht der Lärm nichts. Eine Straßenbahn vor der Haustür finde ich schlimmer“, sagt Gabriele Schemeit. Als 2011 wegen des Vulkanausbruchs in Island der Flugverkehr eingestellt wurde, hätten sie sich fast unwohl gefühlt: „Es fehlte einfach was.“

Alle drei Minuten donnert unter der Woche ein Jet über ihr Hausdach, am Wochenende sind die Abstände größer. „Einmal wollte ich sonntags eine Deko am Gartenhäuschen annageln und musste jedes Mal auf einen Flieger warten, damit man das Hämmern in der Nachbarschaft nicht hört“, scherzt Schemeit.

Er ist, was Fluglärm angeht, sowieso abgebrüht. Bei der Bundeswehr hat er Kampfjets repariert. „Da steht man auch mal ohne Ohrenschützer neben einem Tornado mit laufendem Triebwerk.“ Er weiß, dass sein Gehör gelitten hat und deutlich schlechter geworden ist. Gewohnt habe er in der Nähe der Landebahn des Fliegerhorstes Nörvenich. „Das hat abgehärtet“, sagt er lachend.

Natürlich gebe es auch Beeinträchtigungen, schränkt seine Frau ein. Wenn sie im Sommer im draußen telefoniere, muss das Gespräch alle paar Minuten unterbrochen werden. Auch wenn sie mit Freunden im Garten grillen: „Manche erschrecken sich schon, wenn plötzlich der Schatten eines Fliegers den Garten verdunkelt.“

Aber das hätten sie alles vorher gewusst. „Wir wollten dieses Haus haben.“ Und woanders hätten sie sich es nicht leisten können: Fluglärm drückt die Preise. In dieser Ecke Tiefenbroichs kosten Baugrundstücke weniger als sonst in Ratingen Gewerbeflächen.

Im Herbst fuhr aber auch den Schemeits der Schrecken in die Glieder: Die Bäume bogen sich fast waagrecht, die Markise schnellte noch oben und es gab einen fürchterlichen Krach. „Eine Druckwelle durch einer Luftwirbelschleppe“, erklärt Schemeit.

Er meldete den Rumms bei der Polizei. Fünf Minuten später war Großeinsatz vor der Haustür: Feuerwehr, Katastrophenschutz, Polizei. „Alle dachten an eine Gasexplosion.“ Am gleichen Tag noch habe der Flughafen seine Reparaturtrupps geschickt, die das ganze Dach gerichtet und alles, was kaputt war, ersetzt haben, lobt er die Betreiber.

Stört ihn denn gar nichts? „Doch. Wir empfangen Fernsehen über DVBT. Bei jedem Landeanflug ist das Bild kurz weg — wegen des Radars. Diese Strahlen machen mir wirklich Sorgen, die gehen durch alles durch.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort