Wo Medea das Gretchen trifft

Mythologische und auch literarische Frauenfiguren, gezeichnet und gemalt, sind noch bis Sonntag im Kunsthaus zu sehen.

Wo Medea das Gretchen trifft
Foto: Janicki

Erkrath. Was für ein Frauenbild verbirgt sich hinter dem Gretchen aus Goethes Faust? Wer war die trojanische Königstochter und Seherin Kassandra, der die Schriftstellerin Christa Wolf in ihrer gleichnamigen Erzählung noch einmal Leben einhauchte? Und was für eine Frau war die sagenumwobene Medea aus der griechischen Mythologie?

Fragen wie diese inspirierten die Hochdahler Malerin Kirsten Wilhelm-Schorndorfer zu ihren Werken, die sie ab Samstag im Kunsthaus Erkrath zeigt. Sie spürt den Geschichten der Protagonistinnen aus Literatur und Mythologie nach und zeichnet deren Charakterzüge und Entwicklungen mit dem Pinsel nach. Dabei bleibt auch ihr eigenes Leben nicht außen vor: Was die Künstlerin auf Papier oder Leinwand bringt, ist geprägt von persönlicher Geschichte und ihrer autobiographischen Sicht, Gesellschaft und aktuellem Zeitgeschehen.

Gemeinsam mit Martin Hahn hat Kirsten Wilhelm-Schorndorfer schon einmal im Kunsthaus ausgestellt. Unter dem Titel „Kopfgeschichten“ nahm sie sich damals künstlerisch verschiedener Märchenfiguren an. „Dann bin ich beim Rotkäppchen hängen geblieben“, erzählt sie von den ersten Schritten, mit denen sie zu ihren heutigen Frauenfiguren aus der Literatur kam. Außerdem schwärme sie für die Autorin Christa Wolf und auch Goethes Faust hat sie gleich mehrfach „verschlungen“ — prägend dabei immer das Bild von Schauspieler Gustav Gründgens in seiner Paraderolle als Mephisto im Kopf. „Die Figur des Gretchens ist mir schwergefallen“, gibt die Künstlerin zu: „Als Heldin kann ich Gretchen einfach nicht sehen“.

Das wird in ihren Bildern deutlich: Als naiver Blondschopf mit kindlichem Gesichtsausdruck hält Wilhelm-Schorndorfer sie zunächst in ebenso kindlich wirkenden Aquarellen und Zeichnungen fest. Später abstrahiert die Künstlerin ihr Gretchen, bis körper- und gesichtslos nur noch der geflochtene Zopf übrig bleibt.

Auch die anderen Figuren machen bei Wilhelm-Schorndorfer Entwicklungen durch: In einem frühen Bild ist Medea als magische Drachenbezwingerin mit Zauberstab und Drache zu sehen — fast wie eine gute Fee in einer typischen Mädchenzeichnung. Später kommt sie in kräftigem Blau einer Kriegerin gleich auf die Leinwand, auch sie ähnlich wie Gretchen gesichtslos.

„Medea hat sich in der Zeit des Malens entwickelt. Ihr Charakter hat sich gefestigt und mehr Kraft bekommen“, erklärt die Malerin. Auch mit den verschiedenen literarischen Versionen und Interpretationen hat sie sich auseinandergesetzt: War Medea eine eiskalte Kindsmörderin oder wurde sie Opfer der damaligen Umstände, in denen sie sich schützend vor ihre Kinder stellte, die vom aufgebrachten Volk gesteinigt zu werden drohten? „Es gibt verschiedene Fassungen: Bei Christa Wolf bringt Medea ihre Kinder selbst um, in anderen wollte sie ihre Kinder schützen.“

21 Bilder sind in der Ausstellung „Medea, Gretchen und andere“ zu sehen. Nachdem Kirsten Wilhelm-Schorndorfer sich lange hauptsächlich der Aquarellmalerei gewidmet hatte, probiert sie auch andere Techniken aus: Ihre Frauenfiguren sind als Zeichnungen, Acrylmalerei und Radierungen festgehalten. Seit gut zehn Jahren malt die Autodidaktin wieder regelmäßig. Sie ist Gründungsmitglied des Förderkreises namens Kunst und Kulturraum Erkrath.

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