Gedenken an Hermann Kreuels - Heilanstalt für kaputte Hosen

Das Archiv der Ercroder Jonges erinnert an Hermann Kreuels — ein echtes Original aus dem 19. Jahrhundert.

Erkrath. Die Leute kannten ihn. Die Leute mochten ihn. Er war ein Erkrather Original. Die Rede ist von Hermann Kreuels, dem Tausendsassa mit dem Buckel, auf den er nicht so gern angesprochen wurde. Als es doch jemand tat, war Kreuels um ein paar unschöne Worte nicht verlegen, was ihn ein paar Stunden später seinen Job kostete.

Aber wir wollen die Geschichte von ihrem Anfang erzählen. Sie beginnt mit dem Geburtstag des „Außenseiters“ vor 140 Jahren, am 24. Februar 1872. Mit 25 Jahren hatte es Kreuels aus seiner Viersener Heimat nach Erkrath verschlagen. Schon damals deutete sich an, dass das Gewöhnliche nicht sein Ding war.

Er verliebte sich nicht etwa in ein gleichaltriges Mädchen, sondern in die 14 Jahre ältere Elise, die später auch seine Frau wurde. Beruflich startete Hermann Kreuels anfangs noch recht gewöhnlich. „Er war Änderungsschneider und hatte seine Wohnung im Hause von Lisa Schumm an der Kreuzstraße 39/Ecke Bahnstraße“, ist in den Aufzeichnungen der Ercroder Jonges zu lesen.

Das Miteinander von Vermieterin und Untermieter passte: Während Kreuels an seinem Schneidertisch saß und auf Kundschaft wartete, war die kuriose Kolonialwarenhändlerin in ihrem vollgestopften Lädchen mitunter kaum zu sehen.

Ab und an harrte der Schneider auch auf seinem Tisch aus, um den Wassermassen zu entgehen, die der Regen in die Erdgeschosswohnung spülte. Gelegentlich soll er mit dem Fahrrad unterwegs gewesen sein, um streunende Hunde und Katzen einzufangen.

Um Ideen war er jedenfalls nie verlegen. So schloss er sich um die Jahrhundertwende dem Rosenmontagszug durchs Städtchen an, um mit einem an einer fünf Meter langen Stange angebundenen Klingelbeutel an den Fenstern Geld für die Bedürftigen zu sammeln. Dabei fehlte ihm selbst oft das Nötigste zum Überleben.

Der Humor schien ihm hingegen nie verloren gegangen zu sein. „Er malte ein Papp-Plakat mit der Aufschrift ,Heilanstalt für kaputte Hosen´ und befestigte es am Fenster zur Straße“, berichten die Ercroder Jonges in ihrer Vereinszeitschrift.

Nach dem Ersten Weltkrieg gelangte Hermann Kreuels schließlich zu seiner Passion. Das Theater hatte es ihm angetan und vor allem eine Gruppe von Erkrather Laienschauspielern, die sich regelmäßig traf, um auf den heimischen Bühnen aufzutreten. Kreuels wurde nicht nur Spielleiter und wählte die Stücke aus, er kümmerte sich auch um Kostüme und Requisiten. Bei den Aufführungen war er Kulissenschieber und spielte den Souffleur. „Die Theateraufführungen fanden entweder im Weidenhof oder im Hof der Postwirtschaft statt“, berichten die Chronisten.

Als Hermann Kreuels schließlich 82-jährig in einem Altenheim in Neukirchen-Vluyn starb, ließen es sich seine alten Weggefährten nicht nehmen, seine Asche „nach Hause“ zu holen, um ihn in Erkrather Erde zu begraben.

Bleibt die Auflösung, warum Hermann Kreuels fristlos gekündigt wurde, nachdem er auf seine Behinderung angesprochen worden war: Kreuels arbeitete damals als Hilfskellner im Kaiserhof, als ihn ein Gast auf seine Behinderung ansprach. „Do han ich ne kleene Wendeltrepp drin, wenn de de runger jehst, kannste mich mal jern han“, reagierte der Freigeist offenbar recht ungehalten. „Darüber hat sich der Gast beim Wirt beschwert. Der Kaiserhofbesitzer Paul zur Linden hat seinen Hilfskellner Kreuels sofort und ohne Belohnung entlassen“, berichten die Jonges in ihrer Vereinszeitschrift.

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