Eine Großfamilie der etwas anderen Art

Im Awo-Haus Mogli finden Kinder ein Zuhause, die nicht bei ihren Eltern leben können.

Eine Großfamilie der etwas anderen Art
Foto: Stephan Köhlen

Erkrath. Die große Familie, die Sozialarbeiterin Tania Meissner immer haben wollte, hat sie bekommen, wenn auch auf eine etwas andere Art und Weise. Die eigene Tochter ist schon aus dem Haus, aber da gibt es ja noch neun weitere Kinder, die das von Tania Meissner und Anja Knoche geführte moderne Familienwohnhaus der Awo mit Leben füllen, die Aufmerksamkeit, Verlässlichkeit, Schutz und Geborgenheit brauchen. Sie sind zwischen acht und 16 Jahre alt und können aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihren Elternhäusern aufwachsen. Im „Haus Mogli“ haben sie ein neues Zuhause gefunden.

Stimmt das auch, oder ist das nur ein frommer Erwachsenen-Wunsch? Leon (12) hat da gar keine Einwände, er ist stolz darauf, unter den Fittichen von Mogli schwimmen, lesen und schreiben gelernt und zuletzt sogar „ein richtig gutes Zeugnis“ mit nach Hause gebracht zu haben. Außerdem findet er die gemeinsamen Urlaube toll.

Tania Meissner, Awo-Haus

Noelle (13) war eines der ersten Kinder in der Einrichtung. Ihr gefällt es, dass sie nicht immer im Haus sein muss, sondern auch Freunde besuchen kann — und dass es, wenn man doch mal etwas verbockt, nicht gleich Strafen gibt, sondern das Problem gemeinsam durchgesprochen wird.

Der zweite Leon im Haus ist 15 Jahre alt und mag es, dass er sich aus der Großfamilie auch mal in sein Zimmer — jedes Kind hat ein eigenes kleines Reich —, in den Garten oder in das Spielhaus zurückziehen kann. Er hat auch noch einen kleinen Bruder im Haus, das hat beim Eingewöhnen natürlich geholfen. Und dann ist da ja auch noch Golden Retriever Carlo, der freundlich, aber bestimmt über das Haus wacht und den alle lieben. Er ist auch auf ganz vielen Fotos zu sehen, die die noch junge Geschichte des Hauses und seiner Bewohner dokumentieren. Dass die Kinder Kontakt zu ihren Familien halten und auch dorthin zurückkehren können, ist vom Konzept her vorgesehen, und es kommt auch vor — „allerdings eher selten“, sagt Tania Meissner. Los ging es mit dem Familienwohnhaus vor fünf Jahren, als die Leiter der Vorgänger-Einrichtung, die noch Kinderheim-Strukturen hatte, in den Ruhestand gingen. Tania Meissner kam das damals wie gerufen. Sie war schon seit vielen Jahren in der Jugendhilfe der Awo tätig und hatte gleich Lust auf die Position im neu entstanden Wohnhaus.

„Der Alltag hier ist herausfordernd, aber auch wunderschön“, sagt sie. Ihr zur Seite stehen neben Anja Knoche drei Erzieher und eine Hauswirtschafterin, die unter der Woche putzt, kocht und die Wäsche macht. Bis auf die ganz jungen helfen alle Bewohner in der Küche, beim Tisch decken, abräumen, Spülmaschine ein- und ausräumen und auch bei der Badezimmerreinigung am Wochenende, wenn die Wirtschafterin nicht im Haus ist. „Durch klare Regeln kann man eine ganze Menge Stress aus der Gemeinschaft heraushalten“, so die Erfahrung von Meissner und Knoche. Das gelte auch für den Umgang mit dem hauseigenen Computer und Mobiltelefonen. Ferngesehen wird gemeinsam in einem großen Raum, in dem es zwei gemütliche Sitzecken, Tischfußball und eine Sprossenwand gibt.

Für ihr Konzept bekommen die beiden Leiterinnen viel Unterstützung. Der rührige Förderverein und gelegentliche Spenden wie zuletzt aus den Reihen der Rotarier machen Kinderwünsche wahr, die allein mit dem Regelsatz des städtischen Jugendamtes nicht möglich wären.

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