Die drei Leben des Doktor Flüß

Michael Oliver Flüß ist Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin. Die übrige Zeit nutzt er als Maler und Marathonläufer.

Hochdahl. Ein Medizinstudium samt Facharztausbildung — das bedeutet viele Stunden in Hörsälen und vor Lehrbüchern. Michael Oliver Flüß ist den Weg des Lernens gleich doppelt gegangen: Er arbeitet als Arzt für Radiologie und Nuklearmedizin. Nebenher waren Kapazitäten frei, um sich der Kunst, Philosophie und Chemie zu widmen. Auch mehrere Marathonläufe hat Flüß absolviert — und sich mit Zeiten um die 3:40 Stunden als fit erwiesen.

Vor allem die Kunst nimmt seit beinahe drei Jahrzehnten einen festen Platz in Flüß’ Leben ein. „Malen ist keine Entspannung. Es ist ein zweites Leben.“ Kurz überlegte er sogar, nur auf die Kunst zu setzen. „Doch die Verkaufssituation ist schwierig, und Druck mindert die Qualität. Außerdem liebe ich meinen Beruf. Es ist ein Spagat zwischen zwei Lebensbereichen.“

Flüß wirkt aufgeräumt, diszipliniert. Nicht wie einer, der dem Spannungsbogen nachgibt. „Überleben und Erfolg haben kann nur, wer sich organisiert. Der Chaot geht irgendwann zwischen seinen Ideen unter“, sagt er.

Möglich wird der Wechsel zwischen zwei Bereichen voller Hochspannung auch deshalb, weil der 44-Jährige selbstständig in einer Neusser Gemeinschaftspraxis arbeitet. „Ein Acht-Stunden-Tag ist so machbar. Danach geht es an die Staffelei, jeden Tag zwei Stunden lang“, erzählt er.

Die steht in einem der großen, lichtdurchfluteten Räume des Lutherhauses in der Willbeck. Vor knapp vier Jahren ist der gebürtige Niedersachse mit Ehefrau Anke und dem achtjährigen Sohn Max von Düsseldorf in das ehemalige Gemeindehaus gezogen.

Dass die vielen Ergebnisse seines künstlerischen Schaffensdrangs an den Wänden hängen, ist jedoch eine Ausnahme. „Da würde ich bekloppt werden, wenn ich ständig meine eigenen Ergüsse um mich herum hätte. Ich war nur zu faul, um sie nach einer Ausstellung abzuhängen.“

Darum landet, was nicht verkauft oder verschenkt wird, im Lager. 350 Stück — ein Bruchteil dessen, was Flüß insgesamt geschaffen hat — lehnen dort in einem Schwerlastregal.

Dass er die Bilder, die keinen Käufer finden, gemalt hat, tut dem Künstler nicht leid. Er male nicht für Publikum, sondern weil er den Drang dazu verspüre. Unterstützt wird er von seiner Frau, einer Sängerin. „Sie hat Verständnis — und ist meine schärfste Kritikerin.“

Anmerkungen zu seinen Werken sind willkommen: „Kunst, die jedem gefällt, ist keine. Sonst wäre es besser, man macht Oregami. Man muss Kontroversen auslösen und sie aushalten können. Gute Kunst lässt Fragen offen“, sagt Flüß.

So wie die Fische, die durch Wälder schweben, die „Fagottesanbeterin“ und der „Schnabeljau“, die keinen Zweifel an ihrer Surrealität lassen. Dass die Wählscheibe des Telefons eigentlich ein Abflusssieb ist, fällt erst beim zweiten Blick auf. Manches Werk bekommt nicht einmal einen Titel, damit der Betrachter unvoreingenommen bleibt.

Seit Beginn des neuen Jahres ist zunächst Schluss mit der Malerei: Flüß will eine Auszeit vom Malen nehmen. „Ich habe so viele Themen abgearbeitet, dass ich Angst habe, die Aussage zu verlieren. Ich brauche Zeit, um mich mit neuen Ideen zu beladen.“ Er hält kurz inne. „Vielleicht schaffe ich drei Monate.“

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