Bürger diskutieren über Fanatismus

Rund 100 Besucher erörterten beim Bibelkursus das aktuelle Thema „Gottvertrauen und Fanatismus“.

Bürger diskutieren über Fanatismus
Foto: Nicole Marschall

Erkrath. Fanatismus im Gewand des islamistischen Terrors ist der akute Dornenschmerz in der Seite der Gesellschaft. Begründet wird er religiös. Für den Leiter des Hochdahler Bibelkurses, Pfarrer Ludwin Seiwert, ergab sich die Herausforderung, aus solcher Denklähmung vernünftige Auswege aufzuzeigen: „Es ist mir wichtig, dass die Christen zur Kenntnis nehmen, dass es in unserer eigenen Geschichte auch so etwas gibt und nicht nur im Koran.“

Drei Stellen aus der Heiligen Schrift hatte der Pfarrer ausgewählt, um vor hundert Einsichtsuchenden die Aspekte fanatischer Entwicklungen darstellen zu können. Den Anfang machte eine düstere Begebenheit aus dem Ersten Buch der Könige, bei der der jüdische Prophet Elija am Bach Kischon nahe des Berges Karmel 450 Anhänger der heidnischen Gottheit Baal niedermetzeln lässt. Seiwert empört diese unfassbare Grausamkeit: „Für mich ist das Fanatismus. Elija glaubt, mit Gewalt Gott zu dienen.“ Doch nicht allein im Alten Testament, das bekannt dafür ist, die Allmacht Gottes durch die Überbietung sprachlos machender Machtdemonstrationen zu spiegeln, zeigt sich übersteigerter Eifer.

Ludwin Seiwert, Pfarrer

In Lukas 9,54 schlagen die Jünger Jakobus und Johannes vor, einige Dorfbewohner zu töten, weil diese ihnen die Herberge versagen. Jesus lehnt solchen Frevel ab und zieht stattdessen weiter. Überhaupt sei ihm nicht bekannt, schildert Seiwert, dass Jesus je fanatisch gewesen sei. Aus dem Publikum kamen an dieser Stelle erste Einwürfe. Bei der Tempelreinigung — die Klaus Kinski einst so überspitzt aggressiv rezitiert hatte, dass es einem nicht mehr aus dem Sinn geht — wäre doch zumindest Gewalt gegen Sachen im Spiel gewesen.

Und dann gebe es doch jenen verstörenden Ausspruch Jesu, er sei nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert. Seiwert entgegnete, das Aufbrausen im Tempel wäre nicht grundsätzlicher Art gewesen, anders als für den Fanatismus charakteristisch. Und das Zitat über das Schwert sei eines jener biblischen Zeugnisse, bei denen wenig historischer Kontext überliefert sei.

Hervorstechende Beispiele für die Abkehr vom maßlosen Eiferwahn seien die Briefe des Paulus, etwa jener an die Galater, indem sich Paulus offen dazu bekennt, einst auf falschem Wege unterwegs gewesen zu sein.

Seiwert staunt noch immer über den Wandel in Paulus nach dessen Jesus-Erlebnis bei Damaskus: „Wenn der Papst zum Islam übertreten würde, wäre das harmlos gegenüber der Bekehrung des Paulus, denn der war ein scharfer Kritiker der anderen Religionen.“

Nicht nur die Menschen in der Bibel, auch die Kirche ist zeitweise dem Fanatismus erlegen, spannte Seiwert das Leid der Welt noch weiter auf. Vom ersten Todesurteil gegen den Ketzer Pristillian über die Kreuzzüge, den Dreißigjährigen Krieg bis zur in ihrer Dramatik kaum zu überbietenden Bartholomäusnacht sei oft im Namen des rechten Glaubens getötet worden. „Das Opfern der anderen entspringt einem übertriebenen Wahrheitsempfinden. Die Begeisterung für die eigene Religion muss aber Grenzen anerkennen.“ So wurde zum Zweiten Vatikanischen Konzil ausdrücklich und offiziell festgehalten, dass es Wahrheit auch in anderen Konfessionen gibt.

Als Lebensweisheit gab Seiwert mit auf den Weg: „Eigene Fehler und Schwächen eingestehen und das Gute im anderen zu sehen und wertzuschätzen, damit lässt sich Fanatismus eingrenzen.“

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