„Bibel hat nicht auf alles Antwort“

Als Ludwin Seiwert seinen Bibelkurs ins Leben rief, rechnete kaum jemand mit einem solchen Andrang.

„Bibel hat nicht auf alles Antwort“
Foto: Achim Blazy

Erkrath. Glauben und Zweifeln: Damit hat alles vor einem Jahr begonnen. Damals hatte Pfarrer Christoph Biskupek das Dachgeschoss im Haus der Kirchen als Veranstaltungsort für den ersten Bibelkursus von Subsidiar Ludwin Seiwert vorgeschlagen im Glauben, 30 Stühle würden genügen. Der wiederum zweifelte daran und stellte hundert Stühle im Franziskushaus auf. Am Ende sollte Seiwert recht behalten und es mussten sogar noch Stühle gerückt werden, um alle Zuhörer unterzubringen. Mittlerweile ist der Pfarrer aus Platzgründen sogar in die Heilig-Geist-Kirche in Hochdahl umgezogen.

Mag es auch eine sehr pragmatische Wahrnehmung von Glauben und Zweifeln sein, so steht sie doch für das, was Ludwin Seiwert mit seinem Bibelkursus verbindet. Dinge für möglich halten, obwohl Zweifel angebracht wären. Oder eben etwas infrage stellen, das vermeintlich nicht angezweifelt werden darf. „Vielen Erwachsenen ist im Religionsunterricht das Fragen abgewöhnt worden“, so Ludwin Seiwert.

Warum so viele Leute zu seinem Bibelkursus kommen? Eigentlich weiß er es selbst nicht genau. Womöglich liegt es daran, dass man von ihm auch Sätze wie diesen hört: „Man muss nicht alles glauben, was in der Bibel steht.“ Im Gegenteil: Es sei gut, viele Fragen zu haben — und sie auch zu äußern. Man dürfe einen unsicheren Glauben haben und es sei keineswegs so, dass die Bibel auf alles eine Antwort gebe. „Sie kann ein festes Gottesbild durchaus infrage stellen“, weiß Seiwert.

Ludwin Seiwert, Subsidiar

Er selbst lädt seine Zuhörer dazu ein, ihre Zweifel zu Gehör zu bringen. Wer zum Bibelkursus kommt, muss nicht „bibelfest“ sein. „Leben mit Gott oder ohne Gott“ oder auch „Hat Gott den Tod gemacht?“ — die Themen lassen viel Raum für Gespräche, die sich nahe an der Lebensrealität bewegen. Dass es immer der Wille Gottes sei, der sich im Tod eines Menschen realisiere, darf bezweifelt werden. „Ich weiß nicht, ob Gott will, dass jemand stirbt“, spricht Ludwin Seiwert offen auch eigene Zweifel aus. Vermutlich ist es ebendiese Offenheit, die ihm derart viele Zuhörer beschert. So zumindest sieht es Hartmut Leithe, der über den Bibelkursus sagt: „Es ist eine offene Aussprache über Bibel und Glauben.“ Er selbst sei evangelisch und schätze besonders die gelebte Ökumene und die Tatsache, dass kritische Töne zur Bibel nicht nur zugelassen werden, sondern durchaus erwünscht seien.

Zu Bibelkursen lädt Ludwin Seiwert übrigens schon seit 50 Jahren ein. Schon in Ratingen, wo er vor beinahe zwei Jahren als Pfarrer in den Ruhestand verabschiedet wurde, war sein Angebot ein Erfolgsmodell. Und nicht nur das: Zur Adventszeit saß er dort mit Jugendlichen am Frühstückstisch, zuvor hatten sich alle um 6 Uhr morgens zur Eucharistiefeier am Altar versammelt. Gebetet wird beim Bibelkursus übrigens nicht. Und einen Unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen möchte Ludwin Seiwert auch nicht machen. Im Gegenteil: Es seien gerade diejenigen, die sich im Zwischenraum bewegen würden, die die Kirche mehr in den Blick nehmen müsse: „Ich lade Menschen ein, die nachdenken und noch nicht zu endgültigen Antworten gelangt sind.“

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