Der lange Weg zur Bildung

Die Betreiberin einer Lernpraxis schildert ihre schlechten Erfahrungen mit dem Bildungspaket.

Mettmann. Für das, was Britta Schipperges vergangene Woche erleben durfte, hat sie nur ein Wort: „Wahnsinn“. Sie benutzt das Wort nicht aus Begeisterung. Im Gegenteil: Schipperges ärgert sich maßlos — über Antragsformulare, Briefe, Flyer, Gesetzestexte und „die Ignoranz des Jobcenters“, insbesondere dessen Umgang mit Antragsstellern, die Leistungen aus dem Bildungspaket beziehen wollen.

„Das ganze Paket eine große Luftnummer“, sagt sie und versteht nicht, warum ihre Klienten, die Hartz IV beziehen und eigentlich ein Recht auf Leistungen aus dem Bildungspaket haben, diese nicht bekommen.

Schipperges hat sich vor einem Jahr mit einer Lernpraxis in Mettmann selbstständig gemacht. Dort bietet sie neben Sprachkursen für Erwachsene auch Lernkurse für Kinder an. „Deshalb dachte ich, als bekannt wurde, dass meine Klienten Leistungen geltend machen können, dass das gut funktionieren würde.“

Doch Schipperges hat andere Erfahrungen machen müssen — wie andere Bildungsanbieter auch. „Ich habe mich schon mit Kollegen ausgetauscht. Die können ebenfalls ganz irrsinnige Geschichten erzählen.“

Eine schildert Schipperges: Eine Familie, die Hartz IV bezieht, hat den Antrag vor drei Monaten beim Jobcenter eingereicht. Dazu musste Schipperges eine Bescheinigung ausfüllen, dass das Kind Lernkurse bei ihr besucht. Die Unterlagen reichte sie ein. „Doch vergangene Woche hat die Familie den Ablehnungsbescheid bekommen“, sagt Schipperges fassungslos. Begründet habe das Jobcenter diese Entscheidung damit, dass das Kind keine Mathematik-Nachhilfe bekommt. Die Schule habe aber doch bescheinigt, dass dies nötig ist.

„Das ist richtig. Ich biete keine klassische Nachhilfe an, weil es bei mir zusätzlich darum geht, wie Kinder besser lernen können. Aber nur, weil in dem Vertrag, den ich mit eingereicht habe, nicht explizit Nachhilfe drinsteht, kann das doch kein Ablehnungsgrund sein. Es steht selbst in den Informationsbroschüren zum Bildungspaket, dass Angebote zur Lernförderung bezuschusst werden.“

Als dreist empfindet Schipperges auch den Hinweis auf dem Ablehnungsbescheid, dass die Familie sich für finanzielle Zuschüsse an die Krankenkasse wenden könne. „Da muss ich doch fragen, welche Sachkenntnisse die Leute haben, die die Anträge bearbeiten. Kinder, die zu mir kommen, sind ja nicht lernbehindert oder krank, sondern ihre Eltern sind einkommensschwach.“ Kritik übt Schipperges auch an der Bearbeitungszeit der Anträge. „Drei Monate hat die Familie warten müssen, dabei war das Kind versetzungsgefährdet.“

Darüber hinaus sei sie nie über das Bildungspaket informiert worden. „Ich wusste nicht einmal, woher ich die Vordrucke für die Bescheinigungen, die ich auszufüllen habe, finde. Darauf hätte das Jobcenter hinweisen können.“

Beim ME-aktiv Jobcenter begründet Sprecher Bernhard Hildebrandt die längeren Bearbeitungszeiten der Anträge damit, dass die Förderrichtlinien des Landes zu spät veröffentlicht wurden. „Wir wussten lange Zeit nicht, was bezuschusst werden darf“, sagt er. Mittlerweile läge die Bearbeitungszeit bei drei Wochen. Dass Antragsteller und Anbieter nicht ausreichend informiert worden seien, will er so nicht stehen lassen. „Es wurde ausreichend über das Bildungspaket in den Medien berichtet.“

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