Der große Sturm auf Böller

Der mitternächtliche Verkauf von Feuerwerkskörpern bei der Firma Silag in Langenfeld lockte Tausende an die Regale.

Kreis Mettmann. Finstere Nacht. Nasse Straßen. Auf dem Pflaster spiegeln sich die Lichter unzähliger Fahrzeuge, die ein Ziel mitten im Nirgendwo anzustreben scheinen. Es ist eine jener seltsamen Situationen, zu denen man dringend eine Erklärung sucht, um das Unbehagen loszuwerden. Was um alles in der Welt lockt so viele Menschen in diese verlassene Gegend?

Die Liebigstraße in Langenfeld ist zur Einbahnstraße verwandelt. Helfer lenken den Strom der Fahrzeuge zum Gelände der Silag Handel AG, die in der Nacht auf den 29. Dezember nach eigenen Angaben Deutschlands größten Feuerwerksverkauf betreibt.

„Im ersten Jahr wurden wir fast von Kunden erschlagen. Mit solchem Andrang hatten wir nicht gerechnet“, erinnert sich Silag-Vorstandsmitglied Joerg-Peter Schmiddem an die Dezembernacht 2009. Im Jahr darauf hatte der Schnee den Sturm auf die heiße Ware ausgebremst. 2011 sieht es wieder nach einem Rekord aus.

Wenige Minuten nach Mitternacht fällt der Startschuss — gänzlich konform mit dem Gesetz, das den Lagerverkauf ab 0.05 Uhr gestattet. Der Kopf der langen Menschenschlange, die das Außengelände der Silag umzieht, zwängt sich durch das Firmentor. Besonders eilige Kunden preschen im Laufschritt auf die Verkaufsräume zu.

Keine Hundertschaft hat das Tor passiert, da schließen Sicherheitskräfte den Zugang wieder. Eiserne Disziplin beherrscht die Szene. „Die Logistik ist im Detail mit Polizei und Feuerwehr abgestimmt“, versichert Schmiddem. Mehrere Tonnen Feuerwerkskörper sind im Gebäude eingelagert, auch hier werden penibel die Sicherheitsanforderungen befolgt.

Zu den 25 Mitarbeitern, die den nächtlichen Verkauf abwickeln, gesellen sich 20 externe Ordnungskräfte. „Wir erwarten 2500 bis 3000 Kunden. Da werden wir bestimmt bis vier Uhr nachts im Einsatz sein. Danach bleiben drei Stunden Schlaf. . .“

Mitten im Satz hält Schmiddem inne und fragt einen Kunden, ob er einen Kassenbeleg habe. Nein, antwortet der, denn „ich brauche noch zwei Mal Ariel“. Ein kurzer Griff zum Waschpulver, dann reiht sich der Kunde vor der Kasse ein.

Ulrike und Bernd Klaasen haben außer Feuerwerkskörpern auch Alkohol und einen Kochlöffel eingekauft. Seit halb zwölf haben die beiden Kölner in der Schlange gestanden. Mittlerweile ist es kurz vor eins. Der Preis sei es gewesen, der sie nach Langenfeld gelockt habe.

Um zufriedene Kunden zu binden, hat die Silag Handel AG ein Silvesterangebot vorbereitet. Da finden sich im Familienpaket zum Preis von 39,99 Euro Feuerwerkskörper, die im Einzelverkauf das Dreifache kosten würden: Raketen, Batterien, Leucht- und Tischfeuerwerk, Knallkörper und Glücksbringer zum Jahreswechsel.

Metin Güclü steht derweil noch vor dem Firmentor in der Warteschlange, die kaum kürzer geworden scheint. Er sei aus Wülfrath angereist, sagt er und wird von einem anderen Kunden unterbrochen: „Da hättest du uns ja was mitbringen können.“ Auch Güclü ist der günstigen Preise wegen nach Langenfeld gefahren. „Ich habe zwei Jungs, die gerne knallen.“

Das erklärt freilich noch nicht, warum der Wülfrather bereits in der Nacht hergekommen ist. Als Argument nennt er die Gefahr, womöglich keines der Sonderangebote mehr zu erhalten. „Abgabe in haushaltsüblichen Mengen, solange der Vorrat reicht“, habe es geheißen. „Man weiß ja nie, wann die Ware ausverkauft ist.“

Die Sorge scheint am Imbisswagen nicht zu bestehen. Bei Currywurst und Glühwein ist der Andrang geringer, der Umgang aber ebenso herzlich. „Eine Frau, die keine Wünsche hat“, ruft der Verkäufer. „Dass es so etwas auf unserem Planeten gibt!“

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