„Das ist das letzte Zucken einer machtbesetzten Kirche“

Nicht nur die Basis — auch Amtsträger wie der Kreisjugendseelsorgerdistanzieren sich vom Limburger Bischof.

Kreis Mettmann. Prachtbauten, Luxuswohnung mit Designereinrichtung, Flüge mit der ersten Klasse ins Armenghetto — die Vorwürfe gegen den Bischof von Limburg, Tebartz-van Elst, beschäftigen die gesamte katholische Kirche und ihre Mitglieder. Was denken die Gläubigen und Pfarrer an der Basis der katholischen Kirche, die im Kreis Mettmann 174 000 Mitglieder hat?

Arne Häger aus der Leiterrunde der Nevigeser Messdiener hat eine klare Meinung zu den Vorgängen in Bistum Limburg: „Der Bischof sollte seinen Posten räumen — je schneller, je besser“, meint der 20-Jährige. Für ihn ist völlig unverständlich, dass Tebartz-van Elst „so viel Geld für seine Bauten raushauen konnte, ohne dass da jemand den Daumen draufhielt“.

Abgesehen vom materiellen Schaden sei besonders das Ansehen der Kirche geschädigt worden, sagt Häger bedauernd. Mit dem neuen Papst sollten die Dinge nun anders laufen: „Ich bin voller Hoffnung, dass sich in der Kirche grundsätzlich etwas ändert.“

Genau diese Hoffnung haben auch viele Gläubige in Hilden. Dort macht der leitende Pfarrer der Gemeinde St. Jacobus und Kreisdechant Ulrich Hennes die Erfahrung, dass viele seiner Gemeindemitglieder ähnlich denken wie Messdiener Häger. „Viele sind einfach verletzt durch die ganze Affäre, weil sie dem Image der Kirche schadet. Viele ertragen es schwer, dass es schon wieder Negativschlagzeilen gibt.“

Denn die Katholiken an der Basis würden sich sehr mit ihrem Glauben und der Gemeinde vor Ort identifizieren. Dass Gemeindemitglieder aus dem Kreis Mettmann jedoch wegen der aktuellen Vorkommnisse in Limburg aus der Kirche austreten, glaubt er nicht.

Das Amtsgericht Mettmann, das für Kirchenaustritte in den vier Städten Mettmann, Erkrath, Haan und Wülfrath zuständig ist, glaubt nicht — es weiß: „Bei den Kirchenaustritten ist kein signifikanter Anstieg erkennbar“, sagte gestern ein Gerichtssprecher. „Der ein oder andere, der austritt, sagt aber, dass es ihm jetzt reicht.“

Im Juli registrierte das Amtsgericht 36 Austritte — davon waren 15 Katholiken. Im August waren es 51 (21 Katholiken), im September 29 (15). Im Oktober traten bisher 40 Personen aus — davon 28 Katholiken. „Das ist im Vergleich zu den Monaten davor schon eine Trendwende“, sagte der Sprecher des Gerichts.

Hennes selbst sagt über die Affäre: „Da wird auch viel von den Medien hochgekocht, obwohl es gar keine Neuigkeiten gibt. Aber das liegt ja auch daran, dass Tebartz-van Elst so gar nicht seinen Teil der Schuld erklärt“, sagt er. „Würde der Limburger Bischof zu seinen Fehlern stehen, dann würde sicherlich auch die Hexenjagd aufhören.“

Bei Jugendlichen ist es nicht das große Aufreger-Thema. „Die machen sich eher lustig darüber“, sagt Kreisjugendseelsorger Daniel Schilling. Das zeige sich auch im Umgang mit dem Thema im Internet, wo es mittlerweile sehr kreative und pfiffige Beiträge gebe — etwa die einer Spielzeug-Anzeige nachempfundene Fotomontage mit dem Bischofssitz in Limburg von Tebartz-van Elst aus (L)Ego-Bausteinen.

Bei jungen Erwachsenen oder älteren Leuten überwiege dagegen Ärger und Entsetzen über das Thema. Viele fragten sich, wie so etwas überhaupt möglich sein könne. Schilling: „Zugleich ist aber auch eine gewisse Gelassenheit zu spüren. Unter Benedikt XVI. wäre die Entrüstung bestimmt schlimmer gewesen. Jetzt spüren oder wissen die Menschen: Das ist nicht der Weg des Papstes.“ Mit ihm werde es so etwas in Zukunft nicht mehr geben. „Das ist das letzte Zucken einer machtbesetzten Kirche.“ aram, bedi, joda, lue

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