Da schweigt der Quasselzeh - Erkenntnisgewinnung durch Füße

Durch das Begutachten der Füße gewinnen Brigitte Menting und Monika Sundermann Erkennisse über die Menschen. Sie sind Zehenleserinnen.

Kreis Mettmann. Die Hand streichelt über den Fußballen, gleitet dann hinunter in Richtung Ferse. Sie fühlt sich warm an. Eine Wohltat in diesen Herbsttagen, sind die Füße doch ein wenig kalt. Zusätzlicher Wohlfühlfaktor: Die indirekte Beleuchtung in der Praxis von Brigitte Menting. Sie tastet die Füße genau ab. Dadurch will sie mehr über mein Seelenleben erfahren haben: „Sie sind sensibel. Ich spüre das an ihren zwei Stellen mit der Hornhaut. Das bedeutet, dass sie sich schützen wollen vor Angriffen von außen“, sagt sie mir und setzt den Fuß sachte auf einen Holzhocker.

Brigitte Menting ist Haanerin und von Beruf Fußpflegerin. Ihre Praxis hat sie in Erkrath. Dort cremt und massiert sie die Füße ihrer Patienten, raspelt und feilt. Und wer nicht nur perfekt gepflegte Füße haben will, der kann sich von ihr die Zehen lesen lassen. Denn sie ist eine von 46 Zehenlesern in Deutschland.

Bei unserem Treffen ist auch Monika Sundermann dabei. Sie ist ebenfalls Zehenleserin und arbeitet mit Menting häufig zusammen. Vier Hände und Augen sehen und tasten schließlich mehr als zwei. Dabei soll die Kunst des Zehenlesens nichts gemein haben mit der des Handlesens. „Das ist etwas ganz anderes“, sagt Menting. Sundermann nickt. „Zehenlesen hat nichts Esoterisches. Wir sagen nichts voraus wie Wahrsager. Davon distanzieren wir uns“, sagt sie. Mit dem Betrachten der Zehen könnten Eigenschaften, typische Verhaltensweisen und Reaktionen eines Menschen erklärt werden.

So soll der rechte Große Zeh anzeigen, ob jemand ein Plappermaul ist oder eher schweigsam, wie sehr er sich freut oder ob die Stimmung getrübt ist. Der rechte, mittlere Zeh weist darauf hin, wie aggressiv, ehrgeizig und ungeduldig jemand ist. Und wer mehr über sein Liebesleben erfahren will, der betrachte den Ringzeh an seinem linken Fuß.

Dass Zehen mehr über eine Person sagen als tausend Worte, davon sind Menting und Sundermann überzeugt. Schlecht sitzendes oder zu enges Schuhwerk sei zwar auch für Verformungen verantwortlich. „Aber nur damit ist die Form der Zehen nicht zu erklären. Wie sonst kommt es, dass die Hälfte aller Männer unter Überbeinen klagt. Die tragen sicherlich nicht alle engsitzende Pumps“, sagt Menting.

Dann schauen sie sich jeden einzelnen meiner Zehen genau an und ziehen dran. Bei mir sind die Zehen biegsam. „Das bedeutet, dass Sie flexibel sind“, sagt Menting. Und mein linker Ringzeh sorgt gar für Begeisterung. Ich habe einen „Sommergewitterzeh“, wie die Zehenleserinnen mir sagen. Während ich mich köstlich über das Wort amüsiere, freuen sich die Fußexpertinnen über ihre Entdeckung. „Das heißt, dass Liebe zu jemandem oder zu einer Sache bei ihnen langsam wächst. Ist sie aber da, dann lieben sie explosionsartig, mit Haut und Haar. Ja, sie können besitzergreifend sein.“

Wäre ich eine Comicfigur, zeigten sich jetzt viele Fragezeichen über meinem Kopf. Bin ich wirklich besitzergreifend und liebe ich wie ein Vulkan? Ich denke darüber nach. Auch diese Verhaltensweise soll typisch für mich sein. „Sie entscheiden nicht schnell und posaunen alles gleich hinaus“, sagt Sundermann. Und Menting erklärt: „Das sieht man an der größeren Lücke zwischen ihrem großen Zeh, der für Kommunikation steht, und den anderen Zehen“, sagt sie. Eine weitere Erkenntnis: Ich habe einen Quasselzeh. „So nennen wir den Großen Zeh, wenn er deutlich länger und dicker als alle anderen ist. Menschen mit so einem Zeh sind sehr kommunikativ.“

Nach einer Stunde ist die Sitzung vorbei. Die Füße sind kühl, der Verstand arbeitet und denkt darüber nach, was die beiden gesagt haben. So richtig will er aber nicht zu einem Ergebnis kommen, ob das denn alles so stimmt, was die Zehen-Expertinnen gesagt haben — liegt sicherlich an der großen Lücke zwischen dem großen Zeh und dem Rest.

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