Caritas-Bereichsleiter kritisiert Tafel-Prinzip

Thomas Rasch, Bereichsleiter der Caritas, kritisiert das Prinzip der Tafeln.

Kreis Mettmann. Vor zehn Jahren wurde die Velberter Tafel eröffnet. Auch in anderen Städten des Kreises werden immer mehr Familien durch die Lebensmittelausgaben unterstützt. Trotz des guten Gedankens regt sich bei den Wohlfahrtsverbänden zunehmend Kritik am Tafelprinzip. Die WZ sprach darüber mit Caritas-Bereichsleiter Thomas Rasch.

Immer mehr Menschen sind auf die Hilfe der Tafeln angewiesen. Warum beklagen nun ausgerechnet die Wohlfahrtsverbände das Tafelprinzip?

Thomas Rasch: So ganz neu ist die Kritik ja nicht. Die Frage danach, ob die Bundesregierung mit der Lebensmittelverteilung durch Tafeln nicht aus der Verantwortung entlassen wird, muss doch möglich sein. Ich habe selbst vier Kinder und muss rechnen. Ich habe kein Problem damit, vergünstigte Waren kurz vor Ablauf des Verfallsdatums zu kaufen. Aber wenn man nichts anderes bekommt, ist das ein Problem.

Meinen Sie damit Ideen wie die des Entwicklungshilfeministers, dass man Lasagne mit Pferdefleisch doch an Bedürftige verteilen könne?

Rasch: Bei so was packt mich die Wut. Wie kann man Lebensmittel, die von der Gesellschaft mit dem Ekel-Faktor aussortiert werden, mit gutem Gewissen an Menschen weitergeben, die sich den Einkauf im Supermarkt nicht leisten können?

Sie möchten bei den Tafelbesuchern nicht von Kunden sprechen. Warum?

Rasch: Weil das eine Verkleisterung ist. Der ursprüngliche Gedanke, den Tafelbesuchern als „Kunden“ mehr Wertschätzung entgegen zu bringen, war ja gut gedacht. Aber als Kunde habe ich gewisse Rechte. Ich kann einkaufen, wann ich will und was ich will. Und ich muss mich nicht an den Ausgabetagen bei Regen in eine Schlange stellen und so meine Lebensumstände auch noch öffentlich machen.

Die meisten Lebensmittel, die in den Regalen der Tafeln landen, stammen aus Supermärkten. Es ist doch eigentlich ein guter Gedanke, Waren nicht einfach wegzuwerfen, oder?

Rasch: Es erscheint nur auf den ersten Blick wohltätig, wenn Supermärkte ihre abgelaufenen Waren an die Tafel abgeben. Letztlich geht es aber darum, Kosten für die Entsorgung zu sparen. Und nicht nur das: Die Entsorgungskosten werden so auf die Allgemeinheit abgewälzt.

Und was ist die Alternative? Wollen Sie die Tafeln abschaffen?

Rasch: Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Aber es ist auch nicht sinnvoll, mit der Tafelarbeit die Armut zu verfestigen. Anstatt die Menschen von Hilfsleistungen abhängig zu machen, sollte man sie dabei unterstützen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. So etwas versuchen wir bei der Mettmanner Caritas. Dort ist das preiswerte Mittagessen nur ein Weg, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und ihnen dann von der Schuldnerberatung über Suchthilfe bis hin zur gesetzlichen Betreuung individuelle Hilfe anzubieten.

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