Brutale Schönheiten aus Beton

Der Dom in Velbert-Neviges, das Ratinger Rathaus und die Friedenskirche in Monheim-Baumberg sind Beispiele des Architekturstils Brutalismus im Kreis.

Kreis Mettmann. Sie sind groß, wuchtig und geradezu furchteinflößend, wirken auf viele Menschen mächtig und erhaben. Andere wiederum finden sie einfach nur hässlich und unansehnlich — Bauten wie der Mariendom in Velbert-Neviges, das Rathaus in Ratingen oder die Friedenskirche in Monheim-Baumberg.

Fest steht aber: Es sind nicht einfach nur Bauklötze aus rauem Beton. Sie spiegeln eine ganze Ära der Architektur wider. Und der Name der Stilrichtung ist bei der Planung dieser Gebäude Programm gewesen: Brutalismus.

Einer, der sich damit auskennt, ist der Ratinger Architekt Ekkehard Jatzlau. Der 78-Jährige hat nicht nur das Ratinger Rathaus entworfen, sondern auch das Bayer-Forschungszentrum in Monheim, das ebenfalls ein brutalistischer Bau ist.

Jatzlau hegt auch eine kollegiale Freundschaft zur Architekten-Familie Böhm in Köln, deren Entwurf für den Mariendom in Neviges 1986 mit dem „Architektur-Oscar“, dem Pritzker-Preis, ausgezeichnet wurde. Der „Felsen aus Beton und Glas“ allerdings stößt bis heute bei den Nevigesern auf geteilte Resonanz.

Das Ratinger Rathaus hat Jatzlau als 34-Jähriger in den 1960er-Jahren geplant. „Die große Zeit des Brutalismus war von den 1950er- bis 70er-Jahren. Damals bedeutete dieser Baustil Aufbruch, Mut und Freiheit“, sagt er. Bezeichnend sei gewesen, dass Beton nicht mehr nur als Baustoff genutzt wurde, sondern als Gestaltungsmittel. „Deshalb ist Beton bei brutalistischen Bauten sowohl innen als auch außen zu sehen. Und er wird genutzt, um damit eine Struktur auf der Fassade zu erzeugen“, sagt Jatzlau.

Im Fall des Ratinger Rathauses zeige sich dies an den Betonstützbalken, die aus der Außenwand ragen, und an dem Relief, das an der Wand des Sitzungssaals zu sehen ist.

Dass das Ratinger Rathaus wie viele andere Betonbauten heute als hässlich empfunden wird, kann er verstehen. „Architektur spiegelt immer den Zeitgeist wider. Heute existiert eben ein anderer als damals“, sagt er.

Dennoch findet er es schade, dass das Rathaus abgerissen werden soll, weil es PCB-belastet ist und heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht: „Es ist dennoch ein Zeitzeugnis.“ Daher ist der froh, dass wenigstens der Ratssaal stehenbleibt, „damit ein Stück Geschichte erhalten bleibt“.

Beton — dafür steht auch die evangelische Friedenskirche im Monheimer Stadtteil Baumberg. 1967 erfolgte der Spatenstich. Der international bekannte Schweizer Architekt Walter Maria Förderer (1928 bis 2006) verwirklichte den Bau.

Während die einen die Friedenskirche als die „Festung Gottes“ bezeichneten, zeigten die meisten Schäfchen rheinischen Humor. Schnell wurde das Gotteshaus zum „Bunker“. Und mit einem Augenzwinkern nannten die Verantwortlichen denn auch den Gemeindebrief lange Jahre „Bunker-Echo“.

„Es kommen heute noch regelmäßig Besucher, meist Architekten, um sich den Bau anzuschauen“, sagt Hausherr Pfarrer Peter Becker. Als er vor 29 Jahren nach Baumberg kam, musste er schon zunächst schlucken. „Aber ich habe die Kirche liebgewonnen. Sie ist vor allem sehr funktional“, hat Becker schnell seinen Frieden geschlossen.

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