13 Meter langes Notenblatt

Mehr als 180 junge Musiker traten am Wochenende beim Regionalwettbewerb an. Die WZ hörte in die Kategorie „Neue Musik“ rein.

Hilden. „Wir haben einen Punkt bekommen“, verkündeten Aileena Helmer und Carmen Pflug, nachdem sie zum Jury-Gespräch gebeten worden waren, mit Leichenbittermiene. Aber dann mussten die beiden Flötistinnen laut losprusten: Tatsächlich hatten sie für ihre Darbietung 24 der begehrten Punkte erhalten. 23 hätten zur Teilnahme an der nächsten Runde, dem Landeswettbewerb, gereicht, 25 sind das Maximum. Damit hat sich das Duo im 48. Regionalwettbewerb „Jugend musiziert“ am Samstagvormittag im Alten Helmholtz in Hilden in der Kategorie „Neue Musik“ durchsetzen können.

Was die beiden Hildenerinnen beim Vortrag im Heinrich-Strangmeier-Saal vor dem Juryteam boten, war überaus bemerkenswert — auch weil es wirklich neu war. Das 13 Meter lange Notenwerk zu Oskar Gottlieb Blarrs „Animal triptic“ und seinem „2. Lerchenlied“ hatten die beiden Schülerinnen auf eine lange Leine gespannt — Notenständer hätten nicht ausgereicht. Die Melodie sprengte musikalisch und gedanklich Muster, mit großem Formbewusstsein und handwerklichem Können spazierten die Querflötistinnen musizierend auf beiden Seiten entlang der aufgehängten Partitur aufeinander zu und voneinander weg.

„Es fehlte ein bisschen die Kondition, wir hätten es vorher mal öfter hintereinander spielen sollen“, bekannten die beiden später selbstkritisch. „Ich hatte am Ende keine Spucke mehr, dafür war der Ansatz nass und meine Lippen kribbeln jetzt noch“, bekannte Carmen Pflug.

Wie die Jury urteilte und nach welchen Kriterien sie ihre Punkte vergab, blieb ihr Geheimnis. „Das erzählen wir den Musikern — aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, erklärte Jury-Vorsitzende Judith Lenz.

„Beim Sport ist es einfacher. Da misst man die Weite oder die Sekunden“, schilderte Alfred Pollmann seine Sicht der Dinge. Der Ratinger Musikschullehrer hatte das von ihm und einem Teil seiner Schüler komponierte „Klacusticavier“ durch die Ratinger Victor-Antonio Agura, Aura Stoskus, Caroline Sautré, Eduard Rodriguez und David Schneider zur Aufführung bringen lassen.

„Ich hasse Punkte“, knurrte der Letztgenannte. Denn dafür, dass die fünf allerlei Experimentelles rund um einen Flügel, dessen Deckel abmontiert wurde, angestellt hatten, war die Bewertung für die Beteiligten eher enttäuschend. In einer Art Rundlauf hatten die jungen Musiker nicht einfach mit den Tasten Töne angeschlagen, sondern die Flügelsaiten auf ungewöhnliche Weise in Schwingungen versetzt: Sie wurden auch mit Pferdehaaren gestrichen. Durch Rasseln, Schellen oder Papierblätter, die auf die Saiten gelegt und geworfen wurden, erzeugten die fünf Musiker skurril verfremdete Klänge, die durch eingespielte Geräuschteppiche und Synthesizereinsatz weiter verdichtet wurden.

Auch bei dem zweiten Titel, John Cages „Five“, schien die herkömmliche Notensprache an Klavier, Viola, Flöte und Melodica aufgehoben zu sein. 20 Punkte gab es in der Endabrechnung. „Da hat hoffentlich jeder eine eigene Meinung zu. Mir hat gefallen, was die Kinder gemacht haben“, sagte Alfred Pollmann.

Dass nur zwei Ensembles in der Kategorie „Neue Musik“ antraten, sei nicht überraschend, erklärte Musikschulleiter Karl Hentschel. „Diese Kategorie gehört schon immer dazu, leider gibt es aber immer nur wenige Teilnehmer.“ Und während sich das Flötistinnen-Duo über seine Qualifizierung für die nächste Runde freuten, sahen die fünf „Klacustiker“ den Wettbewerb sportlich: „Dann klappt’s eben beim nächsten Mal“, verkündete David Schneider.

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