Meinung Zwei Perspektiven von Moral

Kinderarmut, alleinerziehende Mütter, Hartz IV-Bezug — in fast allen Sozialstatistiken liegt Krefeld über dem Landesschnitt. Das hat nichts mit schlechter Arbeit der Behörden oder der Verbände zu tun, sondern mit der Struktur der Krefelder Bevölkerung und ganz linear mit der chronischen Unterversorgung der Sozialsysteme.

Meinung: Zwei Perspektiven von Moral
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die unvorstellbare Summe von sage und schreibe 918 Milliarden Euro investiert der Staat per annum über alle sozialen Bereiche in die Würde des Menschen. Es ist viel zu wenig. Für Senioren, Minderqualifizierte, vor allem für Kinder. Die Aufgaben sind gewaltig und Krefeld hat begonnen, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Das macht Hoffnung.

Berechtigte Gründe dafür gibt es mehrere und sie liegen in Personen. OB Meyer hat versprochen, kein Kind zurücklassen zu wollen und Expertengruppen aus Theorie und Praxis ins Leben gerufen. Kurzfristige Ergebnisse sind gefordert. Garant für Effizienz ist Markus Schön, der neue Jugendamtsleiter. Der Münchner kam mit der Empfehlung, umgänglich und unbequem zugleich sein zu können. Er wird ihr gerecht.

Die ersten Ideen sind da: Beratungsangebote direkt in den Kitas, die Nähe der Pädagogen zu den Familien auch in den Grundschulen verstärken, die Jugend durch die Einbindung des Beirates selbst fragen, wo der Schuh drückt. Gute Ansätze für Krefeld.

Und natürlich hat Schön Recht, wenn er die Pädagogen in Kitas und Schulen beim traurigen wie akuten Thema Kindeswohlgefährdung in die Pflicht nimmt. Offensiver melden, natürlich, was denn sonst? Das kostet Überwindung, keine Frage. Was passiert, wenn ich mich täusche und eine Familie zu Unrecht verdächtige? Die Antwort ist einfach: Es passiert exakt nichts. Der Krefelder Spezialdienst, ein Pilotmodell, das sich sogar die große Stadt Köln zum Vorbild genommen hat, prüft die Familiensituationen professionell und in der gebotenen Sensibilität.

Dasselbe gilt für alle Krefelder. Wer Knirpse in seiner Nachbarschaft oder gar in seiner Familie in Gefahr glaubt, muss das melden. Hilfe holen, die Hilflosen beschützen. Einmal zuviel ist sicher unangenehm, einmal zu wenig verwerflich.

Mindestens als dumm ist dagegen das Frühplakatieren von Linken und Grünen (soweit bislang bekannt) zu bezeichnen. Ein Rat, der sich selbst nicht in Bußgeld-Pflicht nimmt, um wenig später die selbst auferlegten Fairnessregeln zu brechen, befördert genau das, was er beklagt: Politikverdrossenheit. Es ist egal, wer da klebt. „Die machen sowieso, was sie wollen.“ Sieht ganz so aus. Hanebüchen ist die Erklärung der Grünen, die sich sonst so gern als Moralinstanz gerieren. Schuld sind natürlich die anderen. Klar, wer sonst?

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