Zwangseinweisung: Wenn man das Recht auf Freiheit verliert

Psychisch Kranke, die eine Gefahr für sich und andere darstellen, können in eine Klinik eingewiesen werden. Gesetze regeln, wann und wie ein solcher Fall eintritt.

Krefeld. Er ist einfach ausgerastet. Hat unter Alkoholeinfluss Scheiben der Wohnzimmerfront zertrümmert und die Nachbarn angegriffen. So erzählt es Brigitte S. (alle Namen von Betroffenen geändert), die sich ebenfalls — und nicht zum ersten Mal — bedroht fühlte. Die Polizei brachte ihren Bekannten auf die Wache und dann in eine der psychiatrischen Kliniken in Krefeld. Dort war Holger K. schon mehrfach Patient, so wie nach dem Vorfall neulich. Einen Tag später war er wieder zu Hause. Brigitte S. fragt sich, wieso.

Grundsätzlich gilt: Die Freiheit und Unversehrtheit der Person ist im Artikel 2 des Grundgesetzes geregelt. Ob ein Mensch in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden kann, richtet sich danach, welches Gesetz — Zivilrecht, öffentliches Recht oder Strafrecht — zuständig ist.

Bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung greift das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten, das PsychKG. Für die Einweisung müssen Behörden, Richter und Ärzte eingeschaltet werden. Das Ganze ist aus gutem Grund kompliziert. Denn das Recht auf Freiheit soll nicht ohne weiteres ausgehebelt werden.

Allerdings gibt es Ausnahmen: Während Polizei-Einsätzen kommt es häufiger zu Fällen, bei denen die Entscheidung sofort gefällt werden muss. „Wenn wir Menschen aufgreifen, die beispielsweise so aggressiv sind, dass sie sich selbst oder andere gefährden könnten, schalten wir den Notdienst ein“, sagt Dietmar Greger, Pressesprecher der Krefelder Polizei.

Außerdem rufen die Beamten neben dem Notdienst einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Gemeinsam können sie die Unterbringung anordnen. Aber: Nach 48 Stunden müssen die Patienten wieder entlassen werden, es sei denn, dass weiterhin eine Gefahr für sie oder andere besteht. Dann jedoch muss die Einweisung richterlich angeordnet werden.

Warum aber dauert der Aufenthalt in einer Klinik nur 48 Stunden? „Häufig wird das aggressive Verhalten durch Drogen hervorgerufen“, sagt Jörg Hummes, Oberarzt an der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie des Alexianer-Krankenhauses. Ist der Rausch verflogen, lassen die Aggressionen häufig nach. Das dauere meist keine 48 Stunden. Dann liegt jedoch kein Grund mehr vor, Personen gegen ihren Willen festzuhalten.

„Auch Holger K. war nach kurzer Zeit wieder zu Hause, die Belästigungen gehen bis heute weiter“, sagt Brigitte S.. Sie gehen sogar so weit, dass sie nicht mehr aus dem Haus gehen will, weil sie Angst hat. Warum er wieder zurück ist, versteht sie nicht.

Zwischen psychisch Kranken und Gesunden wird rechtlich kein Unterschied gemacht, Delikte werden gleichermaßen geahndet. Sind Kranke allerdings schuldunfähig oder vermindert schuldfähig und begehen eine rechtswidrige Tat, werden sie dann nach § 63 Strafgesetzbuch in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, wenn weitere Taten zu erwarten sind. Die Schuldunfähigkeit muss von einem Richter festgestellt werden. „Diese Hürde ist relativ groß“, sagt Oberstaatsanwalt Klaus Schreiber.

Grundsätzlich gilt jedoch: „Wann und ob eine Person angeklagt wird, liegt auch an den begangenen Taten“, sagt Schreiber. Häufig komme es gar nicht zur Anklageerhebung, weil kein hinreichender Tatverdacht oder nur eine geringe Schuld vorliege. Und deswegen ist es möglich, dass gegen Holger K., obwohl er mehrfach angezeigt wurde und obwohl er bei Brigitte S. Angst verursacht, bisher keine Anklage erhoben wurde.

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