Zivis hinterlassen Lücken - Freiwillige verzweifelt gesucht

Zivis hinterlassen eine große Lücke. Sozialverbände haben Probleme, sie zu ersetzen.

Krefeld. Die ganz große Katastrophe ist nicht eingetreten, doch noch hapert es an allen Ecken und Enden: Zum Juli wurde bundesweit der Zivildienst eingestellt und der neue Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingeführt. Vorab fürchteten viele soziale Einrichtungen ein Debakel. Knapp vier Monate nach der Umstellung ist es Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen.

„Man kann nicht sagen, dass der Übergang geglückt sei“, sagt Hajo Nottebrock, BFD-Beauftragter bei der Krefelder Caritas. Die Einführung sei überstürzt gewesen. „Das war politisch nicht ausgereift. Es hakt an allen Ecken und Enden, und nach wie vor ist es ein mittleres Chaos, was die Verwaltung betrifft.“

Rund 50 Zivildienstleistende arbeiteten früher für die Caritas — heute sind es insgesamt 15 junge Menschen, die den BFD oder das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) ableisten. Die Caritasheime müssen also mit wesentlich weniger Helfern zurechtkommen.

„Ein Teil der Leistungen entfällt, wie etwa das Vorlesen“, sagt Nottebrock. „Den anderen Teil der Aufgaben, wie zum Beispiel das Helfen beim Essen, muss das Pflegepersonal auffangen. Die Einrichtungen müssen sich behelfen.“

Auch bei den Krefelder Maltesern sind deutlich weniger Bundesfreiwilligendienstler (Bufdis) beschäftigt als zuvor Zivildienstleistende. Sieben Freiwillige wurden gefunden — wobei davon lediglich zwei im Fahrdienst arbeiten.

„Im Fahrdienst für Menschen mit Behinderung haben wir die Stellen vorher schon mit geringfügig Beschäftigten aufgeforstet“, sagt Dietmar Klabunde, stellvertretender Dienststellenleiter der Malteser in Krefeld.

Dennoch spüre man die Einschränkung. Zwar könne man die festen Fahrten weiter anbieten. Schwieriger werde es allerdings mit unregelmäßigen und spontanen Fahrten der Kunden, etwa zu Arztbesuchen. „Wir werden damit leben müssen, nicht mehr alles anbieten zu können“, sagt Dietmar Klabunde.

„Ein Fazit zu ziehen, ist relativ einfach“, sagt Bernd Pache vom Krefelder Deutschen Roten Kreuz (DRK). „Die Zahl der Bundesfreiwilligendienstler ist überschaubar. Es sind null.“ Anstelle von sechs Zivildienstleistenden absolviert beim DRK ein junger Mensch ein FSJ. „Wir haben die Stellen frühzeitig in Stellen für geringfügig Beschäftigte umgewandelt“, sagt Pache.

Der Bundesfreiwilligendienst habe nur wenig Resonanz gehabt. Für Pache liegt das auch daran, dass die Bewerbung auf diese Stellen in der Regel drei bis vier Monate im Voraus erfolgt. „Die Problematik ist, dass die Umwandlung zu schnell kam und es am Anfang noch viele Ungereimtheiten gab, zum Beispiel mit dem Kindergeld“, sagt Pache. Beim FSJ hingegen seien die Strukturen seit Jahren geklärt.

Ähnliche Erfahrungen haben auch die Mitarbeiter der Krefelder Tafel gemacht. „Beim FSJ sind die Rahmenbedingungen erprobt, beim Bundesfreiwilligendienst sind viele Komponenten unklar“, sagt Mitarbeiterin Maria Hungerkamp, die sich um die Freiwilligen kümmert. „Im Groben und Ganzen sind wir gut durchgekommen“, sagt Hungerkamp.

Nach Auslaufen des Zivildienstes musste die Tafel einen Monat überbrücken. „Es gab keinen nahtlosen Übergang“, sagt Hungerkamp. Vier FSJler und ein Bufdi wurden eingestellt, vier bis fünf Zivildienstleistende waren es zuvor. Allerdings hat der Bufdi die Krefelder Tafel aus persönlichen Gründen mittlerweile wieder verlassen. „Es ist schön zu sehen, dass es junge Menschen gibt, die freiwillige Arbeit leisten wollen“, sagt Hungerkamp.

Auch Hajo Nottebrock kann sich über mangelndes Interesse nicht beschweren. „Wir haben die Hoffnung, die Zivis zu ersetzen, aber ob das realistisch ist, wird sich erst zeigen, sobald sich das Chaos normalisiert hat.“

Für Bernd Pache wäre dies zumindest wünschenswert. „Durch den Zivildienst sind viele junge Männer in soziale Bereiche gekommen“, sagt er. „Ich finde es problematisch, dass ohne ihn mit der Zeit der Blick auf Menschen mit Handicap, Ältere und Schwächere verloren geht.“

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