Zukunft durch Industrie: Abwechslungsreiche Arbeit im Klärwerk

Rainer Heuser gehört zu den Mitarbeitern der EGK, die in der Kläranlage arbeiten. Abwechslung ist Tagesgeschäft.

Krefeld. Ein wenig faulig riecht es oben auf den drei „Eiern“ der Kläranlage. Im Inneren der Faultürme geht auch gerade die Post ab: Schlachthausabfälle und altes Fett aus niederländischer und belgischer Pommes-Produktion lassen die Methanbakterien förmlich explorieren. Das Gas wird hinüber zur Müllverbrennung geleitet, dort in Hochtemperatur-Katalysatoren wieder aufgeheizt und als Brennhilfe in die Kessel geblasen.

Im Gegenzug gibt es heißen Dampf, mit dem die Klärschlämme in den Faultürmen getrocknet werden, um dann bei einem Trockengehalt von 92 Prozent wie der Müll in Fernwärme oder Strom umgewandelt zu werden.

Rainer Heuser, einer der 50 Mitarbeiter des Fünf-Schichten-Betriebs der Kläranlage an der Parkstraße im Uerdinger Norden, nimmt in 42 Metern Höhe routinemäßig eine Probe des trocknenden Klärschlammes.

Die Sonne scheint, die Fernsicht ist hervorragend: Der Blick schweift über den Elfrather See, die Klärbecken und die Kessel der Entsorgungsgesellschaft Krefeld (EGK) bis zur Konkurrenz in Kamp-Lintfort, der Müllverbrennungsanlage Asdonkshof. WZ-Fotograf Andreas Bischof ist begeistert.

„Faulig? Ich rieche das kaum noch“, sagt Heuser, gebürtiger Essener, 47 Jahre alt und ledig. Nach der Mittleren Reife hat er eine Lehre als Industrie-Elektriker absolviert. Elektriker oder Schlosser — das sind die Einstellungsvoraussetzungen für angehende Fachkräfte für Abwassertechnik. 2002 wechselte Rainer Heuser von der Ruhrchemie Oberhausen zur Entsorgungsgesellschaft Krefeld.

„Ein mega-geregeltes Arbeitsleben und die besseren Verdienstmöglichkeiten“ haben Heuser überzeugt. Bezahlt wird nach dem Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V); es gibt Nacht-, Sonntag- und Feiertagzuschläge. Und einen langfristig geregelten Dienstplan im Schichtbetrieb. Überstunden kennt er praktisch nicht: „Höchstens fünf im Jahr“.

Wie seine Kollegen schickte ihn sein Chef Ulrich Feldmann zum Crashkurs nach Norden in Ostfriesland. In nur 13 Schulwochen lernen Elektriker und Schlosser in der dortigen Ausbildungsakademie, was sie für ihren zweiten Facharbeiterbrief als Fachkraft für Abwassertechnik benötigen.

Dafür ist sonst eine dreijährige Ausbildung nötig. „Wir schicken unsere Leute bewusst nach Norden“, sagt Ulrich Feldmann, Leiter der Kläranlage. „Sie sind dort kaserniert, da wird intensiver gebüffelt“. Rainer Heuser über die „Kaserne“: „Das Hotel ist sehr nett“. Die Facharbeiterprüfung wird übrigens vor der IHK Hildesheim abgelegt.

Sich und seine 49 Kollegen aus dem Schichtdienst sieht der 47-Jährige als „Tausendsassas“: Sie müssen kleinere Reparaturen durchführen, elektrische und mechanische, sich mit Mess- und Regeltechnik auskennen oder Proben an den verschiedenen Becken nehmen und auswerten. Der das gerade macht, wird „Läufer“ genannt. Unterwegs ist er aber mit dem Fahrrad. An Pumpen werden Ölwechsel vorgenommen, Schieber und Motoren nach Wartungsplan geschmiert.

Schönwetter verspricht an der Parkstraße eine ruhige Schicht. Aber wehe, es fällt starker Regen. „Und wenn er nur 20 Minuten dauert, ist klar, dass der Schwall in anderthalb Stunden die Kläranlage erreicht.“ Vor allem nach längerer Trockenheit kommt dann mit einem Mal an, was die Krefelder alles so hinter sich gelassen haben. Der erste Rechen vor der ersten biologischen Klärstufe fischt Grobes ab: Gerüstbohlen und Kanthölzer aus Tiefbaustellen oder auch schon mal eine komplette Schubkarre.

Die kleineren Rechen dahinter fangen Gebisse, Kondome oder jede Menge Wattestäbchen ab. Alles Dinge, die nicht ins Klo gehören. 33 Millionen Kubikmeter Wasser kamen 2012 in der Krefelder Kläranlage an, 70 Prozent davon industriell belastetes Abwasser. Mit angeschwemmt wurden 1200 Tonnen Müll.

Holzbohlen und Kanthölzern können die Schnecken, die das Abwasser in die Klärbecken transportieren schon mal lahmlegen. Dann wird der Job stressig. „Bei einem Schaden steht aber stets eine zweite Schnecke zur Verfügung“, erklärt Rainer Heuser. „Der Gesetzgeber hat uns zur Redundanz verpflichtet“.

Die Fluktuation bei der Entsorgungsgesellschaft ist übrigens gering. Heuser: „Wer einmal hier ist, der bleibt.“

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