Lothar Brunner, Personalchef bei Outokumpu Nirosta: „Dialog ist intelligent“

Lothar Brunner, Personalchef bei Outokumpu Nirosta, über den Standort Krefeld und die Initiative Zukunft, die um mehr Verständnis für die Industrie werben möchte.

Krefeld. Die Krefelder Initiative Zukunft durch Industrie wirbt seit zwei Jahren um mehr Verständnis für die Unternehmen und deren Bedeutung für die Stadt und die Region. Gleichzeitig will man die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst nehmen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Sprecher der Initiative ist Lothar Brunner, Personalchef bei Outokumpu Nirosta in Krefeld. Die WZ sprach mit ihm über die Initiative und den Industriestandort Krefeld.

Herr Brunner, wer macht bei der Initiative Zukunft durch Industrie mit?

Lothar Brunner: Auf Anregung von Oberbürgermeister Gregor Kathstede haben sich in der Initiative Unternehmen, Betriebsräte, Industrie- und Handelskammer, Unternehmerschaft Niederrhein und Gewerkschaften zusammengeschlossen. Weit über 20 Firmen machen mit, weitere sind jederzeit willkommen.

Was wollen Sie erreichen?

Brunner: Uns begegnet teilweise eine Industrieskepsis in der Bevölkerung. Das ist aus unserer Sicht zunächst zu respektieren. Aber wir möchten den Ängsten und Bedenken mit Offenheit, Aufklärung und Dialog begegnen, die positiven Aspekte der Industrie aufzeigen. Die Unternehmen engagieren sich in der Region, zahlen Steuern, bieten Arbeitsplätze und liefern Produkte, die jeder in seinem Alltag nutzt. Außerdem möchten wir die Möglichkeiten, die der Standort Krefeld bietet, verbessern.

Was tun die Mitglieder, um die Situation zu verbessern?

Brunner: Wir organisieren Veranstaltungen und Besichtigungen, lassen Menschen hinter die Kulissen schauen - zum Beispiel bei der Langen Nacht der Industrie oder bei Schlufffahrten durch den Hafen oder den Chemiepark. Wir suchen den Dialog mit Bürgervereinen, Verbänden, Politikern, veröffentlichen unsere Positionen. Wir haben eine Umfrage zum Thema „Wie erleben Menschen die Industrie?“ durchgeführt, einen Fotowettbewerb veranstaltet. Das Besondere ist, dass bei uns Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam handeln. Die Sorge um Arbeitsplätze eint uns.

Ist das Thema Arbeitsplätze nicht eins, was den Unternehmen vom Normalbürger als Erpressung oder Totschlagargument vorgehalten wird?

Brunner: In Krefeld gibt es rund 400 Industriefirmen mit rund 27 000 Beschäftigten. Seit 1990 sind in diesem Bereich zirka 25 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Da steckt viel Produktivitätssteigerung drin. Und viele Industrieaktivitäten werden von Dienstleistern gemacht. Dadurch sind im gleichen Zeitraum gut 10 000 neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor entstanden. Die Entwicklung von Unternehmen ist nicht nur Willenssache. Entwicklungen auf dem Weltmarkt haben Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen vor Ort.

Bei Ihrem Unternehmen geht es aktuell um Arbeitsplätze. Sind hier auch die Zusagen zur Investition in den Standort betroffen?

Brunner: Die Grundsatzentscheidung zur Investition steht. Hier wird das Kaltwalzwerk entstehen, in Forschung investiert und auch der Umzug von Benrath nach Krefeld wird kommen. Angesichts des schwierigen Weltmarktes wird dies allerdings eine Frage des Umfangs sein.

Was sind derzeit die größten Herausforderungen für die Industrie?

Brunner: Die Energiekosten. Wir brauchen eine verlässliche Versorgung zu Preisen, die uns im europäischen Wettbewerb nicht benachteiligen. Dazu brauchen wir auch die neuen Stromtrassen. Das muss man offen diskutieren und die Konsequenzen aufzeigen. Unserem Unternehmen hat man gerade die Befreiung von der EEG-Umlage verweigert. Dagegen wehren wir uns - das sind für uns Kosten von rund 30 Millionen Euro pro Jahr.

Aber das sorgt bei Bürgern und kleinen Unternehmen wieder für Unmut. Die können sich nicht befreien lassen.

Brunner: Die Frage der Umlage und der Befreiung davon muss man diskutieren. Aus unserer Sicht ist die ganze Finanzierung der Energiewende nicht auf dem richtigen Stand. Das ist zu schnell konstruiert worden. Aber wenn wir am Niederrhein die energieintensive Industrie von Stahl bis Aluminium wollen, dann geht das nur mit wettbewerbsfähigen Preisen.

Sind denn Großprojekte der Industrie überhaupt noch ohne weitreichende Information von Anwohnern und betroffenen Bürgern möglich?

Brunner: Das ist ein sehr wichtiges Thema. Man kann ohne Bürgerbeteiligung kein Projekt sinnvoll gestalten. Man muss informieren, diskutieren und dann abwägen, was wichtiger ist. Dialog ist intelligent.

Wie beurteilen Sie den Industriestandort Krefeld?

Brunner: Der Standort hat eine gute Verkehrsanbindung und attraktive Freizeitmöglichkeiten. Lediglich die Innenstadt fällt etwas ab. Aber da ist ja derzeit viel in Bewegung — im positiven Sinne.

Wieso sind dann trotzdem so viele Arbeitsplätze verloren gegangen?

Brunner: Das ist dem globalen Wettbewerb geschuldet. Überall wird verdichtet. Alternativen aufzubauen - wie zum Beispiel in der Logistik - ist für eine Stadt nicht so einfach. Wir wollen gemeinsam sehen, wo Verbesserungen möglich sind. Ein wichtiges Instrument ist der neue Flächennutzungsplan.

Verstehen Sie sich auch als Lobbyisten?

Brunner: Nein, wir machen keine Lobbyarbeit. Wir diskutieren öffentlich, machen auf unsere Belange aufmerksam — auch in der Politik. So sind wir bald an einer Industrie-Ausstellung im Düsseldorfer Landtag beteiligt. Wir wollen mit den Abgeordneten ins Gespräch kommen — zum Beispiel auch über die Energiepolitik.

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