Unterführung: Bei „Udo“ gehen die letzten Lichter aus

Durch das Aus für das einzig noch verbliebene Lokal endet nun die Ära des alten städtischen Untergrundprojekts am Ostwall.

Krefeld. "Endstation Krefeld" hat ein unbekannter Künstler an die Wand gesprüht. Noch sind die Lichter in der Unterführung an Ostwall/Rheinstraße nicht ausgegangen. Aber nur noch zwei Türen sind geöffnet.

Die Toilettenfrau löst Kreuzworträtsel, die Trinkgeldschale ist leer. "Schön ist das nicht", sagt sie, "aber Ende November ist hier ohnehin Schluss." Sie geht dann in die Anlage auf dem Südwall. "Da ist dann hoffentlich wieder mehr Betrieb.

Bei "Udo" hingegen ist Räumungsverkauf. Udo, so heißt nicht der Wirt, sondern es steht für "Unter dem Ostwall". Die Gaststätte ist seit dem 1. Oktober 1980 unter Regie von Irene und Hans-Jürgen Kipper. Mehr als 30 Jahre haben sie hier gearbeitet. "Jetzt muss alles raus", sagt die zierliche Wirtin mit den weißen Haaren.

Die 65 Jahre alte Frau hat fast Tränen in den Augen. "Ich konnte es lange Zeit nicht glauben, dass hier Schluss sein wird. Aber so langsam mache ich mich mit dem Gedanken vertraut."

Manche Schätzchen sind im Udo jetzt zu haben. Sehr alte Modellautos, Schiffe, aber auch wertvolle Antiquitäten, oder was ansonsten als Trödel mitgeht.

Der Stramme Max kostet 3,80 Euro eben so wie die Bockwurst mit Kartoffelsalat ("hausgemacht"). Aber nur noch fünf Gäste, zwei davon Frauen, beschäftigen Irene Kipper hinter ihrem Tresen. "Ja, Du kriegst noch ein Bier", ruft sie ins Lokal, während sie erzählt.

"Wir hätten hier gerne noch weitergemacht, so ein bis zwei Jahre" meint sie und zuckt die Schultern. Schritt für Schritt sei es gegangen mit dem stillen Sterben der Unterführung, an der sie alle gehangen hätten. "Mit den Rolltreppen fing das an. Immer mehr sind still gelegt worden, bis schließlich alle nicht mehr liefen."

Der endgültige Todesstoß sei aber die Schließung des Kaufhofs (früher Horten) gewesen. "Da war immer noch was los, viel Laufkundschaft, aber das ist jetzt vorbei", zieht Irene Kipper trübe Bilanz. Es kämen jetzt nur noch die Stammgäste, so 20 oder 30 über den Tag verteilt. Sperrstunde gibt’s bei "Udo" nicht, "wir machen zu, wenn keiner mehr da ist".

Still in ihre Wohnung in Bockum zurückziehen will sich das Gastwirte-Ehepaar aber nicht. "Ich muss etwas zu tun haben. Ich muss unter Menschen sein, Kontakte haben. Ruhestand ist nicht angesagt." Man glaubt der im Grunde fröhlichen Frau, die das Aus nur langsam verstehen lernt. Aus ihren Scheiben blickt man auf die Reste der städtischen Versuche, mit einer Kunstaktion Leben in den Untergrund zu bringen.

Am früheren Baubüro des Fachbereichs Tiefbau und der SWK hängt noch ein Plakat mit "Kalle", der Krähe, die eifrig den Ostwall pflastert. Gegenüber dem früheren Vieten-Kiosk sind die Scheiben eingeschlagen. Tonis Schuhbar ist verwaist, die Linner Backstube ist eine Etage höher in die Sparkasse-Arkaden gezogen. Nur bei Udo brennt noch Licht. Einsam ist es ringsum geworden und ein wenig Wehmut ist zu fühlen.

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