Silvia & the City: Von Pfirsichen und Kokosnüssen

New York. Nach fast einem halben Jahr in den USA ist es so weit: Dies ist meine letzte Woche in New York. Es wird Zeit, Bilanz zu ziehen.

Ich werde sicherlich vermissen, dass man sich an jedem Tag der Woche abwechslungsreich beschäftigen kann, weil man in dieser Stadt komprimiert alles findet, was die Welt zu bieten hat. Ich werde auch vermissen, dass man am Morgen nie weiß, was einem der Tag noch bringen kann. Bestimmt wird mir die umwerfende Offenheit und Freundlichkeit der Menschen fehlen, ebenso wie die dienstleistungsorientierte Gesellschaft New Yorks, in der man fast alles zu jeder Uhrzeit bekommen kann. Und natürlich das fabelhafte Wetter, das gefühlte 360 Sonnentage im Jahr bringt.

Auf der anderen Seite gibt es genauso viele Dinge, die ich nicht vermissen werde: den Müll, die vollen Straßen, das rastlose Gefühl, nie all das unternommen zu haben, was man sich vorgenommen hatte, und natürlich das ungenießbare Brot. Am wenigsten wird mir wahrscheinlich die amerikanische Unverbindlichkeit fehlen, die es einem zwar leicht macht, Kontakte zu knüpfen, aber gleichzeitig so schwer, tiefer gehende Freundschaften zu entwickeln. Dieses Phänomen wurde mir übrigens zuletzt anhand des „Pfirsich-Kokosnuss-Effekts“ erläutert. Amerikaner sollen dieser Theorie zufolge einem weichen Pfirsich ähneln: Die Oberfläche ist stets ansprechend und man ist schnell im Fruchtfleisch, den Kern wird man allerdings selten durchdringen. Anders ist es bei den deutschen Kokosnüssen: Hat man die harte Schale erst einmal durchbrochen, wird einer wahren Freundschaft nichts mehr im Weg stehen.

Kurz und gut: Es waren jedenfalls aufregende sechs Monate. Ich habe viel erlebt, viel gelernt und wenig geschlafen. Und etwas festgestellt, von dem ich niemals angenommen hätte, dass es auf mich zutrifft: Ich würde Kokosnüsse Pfirsichen immer vorziehen.

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