Schauspieler Stefan Diekmann „Hier steht alles auf dem Spiel“

Schauspieler Stefan Diekmann verlässt das Theater, weil er keine Perspektive mehr sieht: „Die Leute haben Zukunftsangst.“

Krefeld. Stefan Diekmann geht. Nach fast neun Jahren bei den Vereinigten Städtischen Bühnen kehrt der Schauspieler Krefeld den Rücken. Den Grund sagt er ganz offen: "Die Situation des Theaters macht es einem leicht, wegzugehen und einen Neuanfang zu wagen." Bevor er zur neuen Spielzeit ans Rheinische Landestheater in Neuss wechselt, spricht Diekmann über die Lage des Theaters, den Druck auf die Belegschaft und Erwartungen an die Politik.

Frage: Herr Diekmann, achteinhalb Jahre sind eine lange Zeit. Wie schwer fällt Ihnen der Wechsel?

Stefan Diekmann: Zuerst habe ich gezögert, doch letztlich war die Entscheidung logisch. Ich sehe hier im Moment keine künstlerische Perspektive. Auch wenn das nicht jedem klar ist: Für dieses Theater steht zurzeit alles auf dem Spiel.

Wie haben Sie die Finanzdebatte der vergangenen Monate erlebt?

Diekmann: Ich war fassungslos, wie schnell das ging und wie absurd es ablief, wie fahrlässig und gedankenlos das Theater in einem halben Jahr vor die Wand gefahren wird. Es macht mich wütend, wie respektlos und verletzend die Politik mit uns umgeht. Und ich finde es heuchlerisch, die Qualität und Effizienz des Theaters zu loben und es gleichzeitig auf lange Sicht zu zerstören.

Dennoch ist die finanzielle Lage der Städte, besonders in Mönchengladbach, alarmierend.

Diekmann: Ich verstehe die Lage der Städte - auch wenn es natürlich leicht ist, Verantwortung abzuschieben und zu sagen: Die Verhältnisse sind schuld. Was ich nicht verstehe, ist, dass die Politiker sich nicht ausreichend mit dem Theater befassen. Sie ignorieren die Konsequenzen ihrer Einschnitte. In ihrer Position müssten sie wissen, dass sie dem Theater den Todesstoß versetzen.

Was erwarten Sie von der Politik?

Diekmann: Ich erwarte, dass die sich mal wirklich schlau machen, sich zwei Wochen hinsetzen und sich etwas Praktikables überlegen. Wenn am Ende die Erkenntnis steht, dass man sich das Theater nicht mehr leisten kann, wäre das wenigstens eine klare Ansage. Aber so sorgt die Politik bei der Belegschaft für tiefe Verunsicherung und jede Menge Wut.

Wie äußert sich das?

Diekmann: Die Diskussion drückt massiv auf die Stimmung. Und es ist schwierig, sich auf das zu konzentrieren, was wir eigentlich tun. Die Leute haben Zukunftsangst. Sie fragen sich: Werde ich hier noch arbeiten, Geld verdienen? Will man uns hier nicht mehr?

Immerhin deutet sich in Gladbach eine Wende an, was den Etat für die laufende Spielzeit betrifft.

Diekmann: Ja, aber die Diskussion über 2009/10 ist viel gravierender. Es geht darum, ob wir hier ab Sommer nur noch Reste-Eintopf erleben. Ich sehe in der Wende in Mönchengladbach sogar eine Gefahr. Wenn wir dann über 2009/10 reden, heißt es: Jetzt haben sie noch was Anderes, jetzt wollen sie noch mehr Geld. Ich halte es für möglich, dass das politisch sogar bewusst und sehr geschickt eingefädelt wurde.

Das hieße, dass Teile der Politik das Theater abschaffen wollen.

Diekmann: Ich hoffe, dass das nicht so ist. Die Mehrheit der Bevölkerung geht zwar nicht ins Theater, aber wir leisten einen unschätzbaren Beitrag zum Lebensgefühl in den Städten. Krefeld und Mönchengladbach müssen sich das leisten - es sei denn, sie sind der Meinung, dass sie nur noch schöne Einkaufspassagen brauchen.

Wenn Sie sich im Ensemble umsehen: Hat die Flucht begonnen?

Diekmann: Ich glaube schon, dass ein Wechsel bei einigen Kollegen im Kopf herumspukt. Wenn es im Schauspiel 2009/10 statt zwölf nur noch zwei Premieren gibt, bedeutet das einen krassen Qualitätsverlust. Für Künstler ist das ein Mangel an Herausforderung, sie bekommen keine Impulse, schmoren im gleichen Saft, können sich nicht mehr entwickeln.

Wie lässt sich eine schleichende Auflösung noch verhindern?

Diekmann: Durch schnelle Entscheidungen. Es verstreicht so unglaublich viel wertvolle Zeit, in der Regisseure anderswo verpflichtet werden und Schauspieler sich nach etwas Neuem umsehen. Manchmal denke ich, es müsste in der Politik einfach mal jemand inne halten und sagen: Oh Gott, wir haben einen furchtbaren Fehler gemacht.

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