Philipp Poisel: Pausbackiges Pop-Phänomen

In der Kulturfabrik zeigt Philipp Poisel, was ihn bei seinen jungen, meist weiblichen Fans so erfolgreich macht — Authentizität.

Krefeld. So schnell scheint ihn nichts aus der Ruhe zu bringen: Philipp Poisel, 27-jähriges Pop-Phänomen aus dem schwäbischen Ludwigsburg, erreicht seine meist jugendlichen Fans mit melancholischen, manchmal auch schwermütigen Songs. Zwei Erfolgsalben hat er bislang veröffentlicht.

Poisel erscheint auch auf der Bühne — wie am Sonntagabend in der restlos ausverkauften Kulturfabrik — als die Ruhe in Person. Er ist der nette pausbackige Junge von nebenan, der seine Gedankenwelt vertont und gerne den intelligenten Romantiker spielt.

Vom ersten Song „Für keine Kohle dieser Welt“ bis zum Ende gibt sich der deutsche Singer-Songwriter bescheiden und ohne große Starallüren. Das ist nicht selbstverständlich, wenn einem so jungen Künstler niemand Geringeres als Herbert Grönemeyer als Steigbügelhalter für eine rasante Karriere zur Seite stand.

Entzückt und fasziniert lauscht das überwiegend weibliche Publikum während des zweistündigen Konzertes Poisels anrührend brüchigem Gesang und seinen poetischen Alltagsgeschichten. Mit einer vierköpfigen Band im Rücken gerät die dezent beleuchtete Performance noch eindringlicher als auf der Platte. Dort dominiert statt Breitwandsound kammermusikalische Intimität und Akustik-Pop.

Poisels Erfolgsfaktoren wirken auch live: Er ist als Typ authentisch und spricht den mehrheitlich textsicheren Fans mit seinen einfühlsamen Worten förmlich aus der Seele. Der dunkelblonde Wuschelkopf im farbigen T-Shirt nimmt mit „Froh, dabei zu sein“ die Angst vor dem Tod, animiert im Song „Zünde alle Feuer“ zu großer Lebenslust oder entfacht bei „Wie soll ein Mensch das ertragen?“ stille Sehnsucht.

Es ist eine angenehm lakonische Mischung aus Aufrichtigkeit und Verletzlichkeit, die Philipp Poisel wie derzeit kein anderer Singer-Songwriter der neuen Generation zum Ausdruck bringt — mit seinen scheinbar schludrigen Liedern mit achtlos hingeworfenen Wörtern.

Zuvor hatte bereits im Vorprogramm die Weimarer Solokünstlerin Alin Coen im Saal einen zart-melodiösen Zauber entfacht — mit sanften Balladen und sogar einem Schlaflied. Zu Poisels gefeierter Zugabe wird nach so viel Besinnlichkeit am Ende laut geklatscht und „getanzt, als gäb’s kein Morgen mehr“.

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