Mozart braucht Wumms

Theater kann harte Arbeit sein – vor allem bei aufwändigen Produktionen wie „Amadeus“.

Krefeld. Mozarts Höhenflug sieht noch etwas wacklig aus. Leicht schwankend steht Ronny Tomiska auf einem schwarzen Klavier, das hoch über dem Bühnenboden schwebt, an Seilen verkehrt herum aufgehängt, Beine gen Himmel, Tasten zur Erde. Das Instrument baumelt bedenklich, doch Tomiska, der den "Amadeus" in Peter Shaffers berühmtem Stück spielt, dirigiert tapfer die Arie "Martern aller Arten", während sein Erzfeind Salieri (Adrian Linke) unten am Boden eben solche erleidet.

Nur schwer kann Salieri ertragen, dass dieser "gehässige, kichernde, aufgeblasene, infantile Mozart" mit so viel Talent gesegnet ist, wo ihm selbst nur musikalisches Mittelmaß gelingt. Des Kaisers Hofkomponist hadert mit Gott und klagt ihn an, während die Meisterwerke Mozarts als Notenblätter auf ihn herabregnen.

Einen bildgewaltigen und entsprechend aufwändigen "Amadeus" setzt Reinhardt Friese hier in Szene, und das erfordert neben Gespür und Kreativität auch viel Geduld und Konzentration. Besonders die Übertragung von der kleinen Probebühne in die schier endlosen Weiten und Höhen des Stadttheaters ist kompliziert.

Die Schauspieler beherrschen ihren Text, doch den Raum müssen sie sich ganz neu erschließen. Dabei können drei Schritte schon einer zu viel sein, und das Timing entsteht völlig neu. "Matthias, du musst etwas später aufstehen, sonst kreuzen sich eure Wege", rät Friese dem Veteranen Oelrich. Schon läuft die Szene flüssiger.

Wesentlich komplizierter gestalten sich die "Dreharbeiten" am Bühnenbild. Per Muskelkraft - später wird ein Motor eingebaut - lassen Arbeiter einen riesigen Quader rotieren, in dessen Innerem sich ein kompletter bespielbarer Raum versteckt. Zwei Außenwände sind verspiegelt, die dritte zeigt Mozart als Pop-Ikone, ein übermächtiges Abbild, in dessen Schatten Salieri förmlich zusammenschrumpft.

Während er vorne sein Leid klagt, muss hinten - unsichtbar für den Zuschauer - eine Menge passieren. Unter anderem krabbelt ein halbes Dutzend Schauspieler geräuschlos in eine Bodenklappe und klettert ebenso leise wieder heraus. "Vorhin haben sie es in 37 Sekunden geschafft, danach ging es acht Sekunden langsamer", erzählt Dramaturgin Vera Ring. "Wir drehen schon seit einer Stunde, aber die optimale Geschwindigkeit haben wir noch nicht gefunden."

Ralf Beckord hat es beim Klettern besonders schwer. Als unterwürfiger Kammerherr steckt er in einem geschienten Kostüm undkann den Oberkörper kaum bewegen. Auch Christopher Wintgens und Frederik Leberle tragen schon die Hosen und Hemden, mit denen sie später als Venticelli in luftiger Höhe auf dem Quader herumturnen müssen. "Klettern mit weiten Hosen übt man besser frühzeitig", meint Ring.

Ohnehin treibt die Produktion Arbeitsschützern den Schweiß auf die Stirn. Offiziell müssen sie das Bühnenbild prüfen und abnehmen, ganz nach Vorschrift erneuert der Bühnenmeister vor jeder Vorstellung die Warnhinweise an die Darsteller. Die nehmen es mit Humor. Während Leberle, der bald den Dänenprinz geben soll, in vier Metern Höhe sitzt, bekommt sein Kollege auf festem Boden einen Rat: "Adrian, lern’ besser schon mal den Hamlet."

Doch alles geht gut, auch Ronny Tomiska landet mitsamt Klavier auf sicherem Grund. Seine Sopranistin allerdings, die jetzt auftreten sollte, ist nirgends zu sehen. "Monika!", ruft der Regisseur, als Antwort öffnet sich die Bodenklappe. "Wir haben nichts gehört", erfährt Friese zum wiederholten Mal und bittet den Tontechniker, Mozarts Arie "ein bisschen mehr Wumms" zu geben. "An solchen Tagen fällt die Kunst ein bisschen hinten runter", sagt er. Eher geht es um ganz grundsätzliche Fragen, um den Raum, in dem Kunst erst entstehen kann. Schließlich bleibt der tollste "Amadeus" im Ansatz stecken, wenn Mozart gleich im ersten Akt vom Klavier purzelt.

Premiere am Samstag. Weitere Termine ab 13. Februar. Karten: Telefon 02151/805 125

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