Mauerfall-Serie: Als der Eiserne Vorhang fiel

Heidi Werner stammt aus Annarode in Sachsen-Anhalt. Über Dortmund und München kam sie nach Krefeld.

Heidi Werner erlebte die Wende in Annarode, war sogar ein Jahr Bürgermeisterin. Heute fühlt sie sich in Krefeld und bei der Firma HOB wohl.

Heidi Werner erlebte die Wende in Annarode, war sogar ein Jahr Bürgermeisterin. Heute fühlt sie sich in Krefeld und bei der Firma HOB wohl.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Der Rückblick auf ihr Leben in der DDR ist auch heute noch nicht ganz einfach für sie. „Es gibt so viele positive Dinge. Meine Familie, die glückliche Kindheit, das Leben im Südharz in Sachsen-Anhalt, die Dorfgemeinschaft von Annarode“, sagt Heidi Werner. „Ich hatte niemals vor, meine Heimat zu verlassen.“ Sie wollte etwas bewirken, Änderungen herbeiführen in der DDR. „Es war ein schleichender Prozess, sich mit der Gesellschaft auseinander zu setzen.“

Wie alle jungen Leute war Heidi Werner in der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der politischen Jugendorganisation der DDR, aktiv. „Wir waren alle in der FDJ. Sonst wäre man Außenseiter geworden. Wir haben alles gemacht, was wir machen durften: Feiern, Disco, Party. Meistens habe ich organisiert. Wir haben zwar ,Neues Deutschland‘ gelesen, die sozialistische Tageszeitung. Das musste sein, man musste über die aktuellen Beschlüsse der Partei informiert sein. Aber das war nicht unser Mittelpunkt.“ Über die SED, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, sei kaum gesprochen worden.

Die Staatsbürgerkunde hingegen sei die „Religion“ gewesen, die immer einfloss. Der Unterricht fand in den höheren Jahrgängen statt und war eng verknüpft mit der in den Schulen integrierten FDJ. „Mir hat die Einflussnahme der Partei nicht gefallen“, erklärt die heute 52-Jährige. „So musste man seine Studienergebnisse vorlegen und Rechenschaft ablegen, warum man nicht besser abgeschnitten hat. Man musste vorbildlich sein.“ Diese Vorbildrolle sei ihr zu extrem gewesen.

Hingegen konnte jeder studieren. Das Geld dazu gab es vom Staat. Heidi Werner hat sich für Betriebswirtschaft und die Ökonomie der Metallurgie entschieden. Im Studentenclub war sie wieder in ihrem Element. „Ich hatte Spaß daran, Veranstaltungen zu organisieren.“

Keinen Spaß hatte sie in ihrem späteren Ingenieursberuf. „Wir hatten alle einen sicheren Job, es gab keine Arbeitslosen, aber es war für die große Zahl der Arbeitstätigen zu wenig zu tun, ich war völlig unterfordert.“ Die Wirtschaftspolitik sei eine Katastrophe gewesen. In der FDJ hat sie sich dann ab 1984 stärker engagiert.

Dann begann die Ära Michail Gorbatschows und die junge Frau fragte sich: „Wann ändert sich hier etwas? Warum darf ich meine Fragen nicht stellen? Es muss doch endlich geredet werden. Wir müssen eine bessere DDR schaffen.“

Der Lichtblick sei „Gorbi“ gewesen, doch der Starrsinn, nicht in der Lage zu Veränderungen zu sein, unerklärlich. „Im FDJ-Schulungslager haben wir dann nach dem Pflichtprogramm heimlich diskutiert und Westfernsehen wie die Musiksendung ,Formel Eins‘ geguckt.“

Dann ging es nach Berlin zur 40-Jahr-Feier der DDR am 7. Oktober 1989. Heidi Werner war fassungslos: „Alles war wie früher. Die Ignoranz hat mich fertig gemacht. Es wurde immer noch ,Honi‘ gerufen.“ Da waren schon die Montagsdemonstrationen unterwegs. „Zu Konfrontationen unter den Menschen untereinander wäre es nie gekommen“, ist sich die 52-Jährige sicher.

Bei der Maueröffnung hat sie sich gefragt: „Was wird das jetzt? Wohin geht die Reise?“ Für sie ging der Weg nach der ersten freien Kommunalwahl ins Bürgermeisteramt. „Wir haben Stimmen für die ,Unabhängige Bürgerbewegung‘ gesammelt und plötzlich hatte ich das Amt. Doch keiner hat uns gesagt, wie funktioniert Demokratie? Wir waren ahnungslos und wussten nicht, wen wir fragen sollten.“

Ein Jahr agierte sie als Bürgermeisterin, dann kam die Chance, in Dortmund zu arbeiten, danach in München. Während eines Besuchs bei den Eltern lernte sie ihren Mann kennen, der aus Krefeld stammt. „Nun bin ich hier und fühle mich wohl. Ich bin durch meinen Arbeitgeber Armin Richly im HOB-Team und in die Gesellschaft eingebunden.“ Nach Ostdeutschland fährt sie immer noch gerne, auch wenn der Rückblick sie aufwühlt.

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