Jörg von de Fenn - ein Blinder auf dem Kilimandscharo

Seit 1990 ist Jörg von de Fenn blind. Trotzdem hat er drei Fünftausender erklommen.

Krefeld. Sicher, einen Berg zu besteigen, ist nie eine Kleinigkeit. Doch bei Jörg von de Fenn ist das Erklimmen des Kilimandscharos oder des Großglockners eine besonders beeindruckende Leistung. Denn der 42-Jährige ist blind. Zu den Leidenschaften des gebürtigen Krefelders zählen neben dem Bergsteigen auch noch Tauchen und Inlineskaten.

Aufgrund einer Erkrankung am Sehnerv verliert von de Fenn 1990 quasi von einem auf den anderen Tag seine Sehfähigkeit. Seine Ausbildung zum Koch kann er nicht fortsetzen. In Würzburg lernt er Blindenschrift und lässt sich zum Telefonisten ausbilden.

In Memmingen im Allgäu findet er einen Job und lernt seine Frau kennen. Extremsport hat von de Fenn früher nicht betrieben. „Ich war sportlich, aber nicht so extrem. Mit meinem Bruder habe ich früher bei den KEV-Bambinis gespielt“, erzählt er.

1996 geht es in den Urlaub nach Österreich. „Da hat mich dann unser Bergführer auf das Bergsteigen heiß gemacht.“ Drei Jahre sollte es dauern, bis von de Fenn sich tatsächlich in luftige Höhen traute. „Ich war mir nicht sicher, ob ich das machen soll oder kann. Aber der Bergführer hat nicht locker gelassen.“

Mit ihm besteigt von de Fenn den Großglockner. „Er hat mich einfach an die lange Leine genommen und dann sind wir losgelaufen“, sagt von de Fenn.

Was beim ersten Mal noch relativ einfach ist, gestaltet sich bald schwieriger. „Ich habe ein paar Jahre gesucht, bis ich jemanden gefunden habe, der mich mitnimmt.“ Die Suche nach einer Begleitung oder Reiseveranstaltern, die einen Blinden mitnehmen, ist eine höhere Hürde als die Berge an sich. „Es ist mühselig und eine ewige Sucherei“, sagt er.

So ist es schon seit einigen Jahren sein Traum, den höchsten Berg Amerikas, den Aconcagua in den Anden (6962 Meter) zu besteigen. Aber es hapert an der Begleitersuche. „Im Januar kann ich hoffentlich mit. Aber wenn man einen Begleiter gefunden hat, kommen die Kosten noch dazu.“

Dennoch hat der 42-Jährige immer wieder jemanden gefunden, der ihn „an die Leine genommen“ hat. Neben dem Großglockner war von de Fenn unter anderem auf dem 5642 Meter hohen Elbrus im Kaukasus, auf dem Dachsteingebirge in Österreich und auf dem 5137 Meter hohen Ararat in der Türkei.

Die Tour zum Kilimandscharo (5895 Meter) zählt zu seinen besten. „Das ging ganz unkompliziert. Als wir um 5.50 Uhr morgens oben angekommen sind, war der Jubel groß. Da war um die Uhrzeit schon eine Riesenstimmung“, erinnert er sich.

Als die Menschen auf dem Gipfel mitbekommen, dass von de Fenn blind ist, gratulieren sie ihm. Sogar zwei Reporter von einer tansanischen Zeitung bitten ihn zum Interview. Denn blinde Bergsteiger sind schon eine Seltenheit. „Es gibt zwar Wanderungen für Blinde, aber das, was ich jetzt mache, da bin ich als Blinder allein.“

Dabei möchte er gar nicht unbedingt Aufmerksamkeit mit seinem Hobby erregen. „Ich habe Spaß dran, und wenn ich andere damit motiviere, freue ich mich. Aber ich muss nicht im Mittelpunkt stehen.“

Von de Fenn bereitet sich auf seine Abenteuer nicht speziell vor. Dreimal in der Woche geht er ins Fitnessstudio. „Auf die Höhe kann man sich nicht vorbereiten, das ist eine Körpersache.“ Auch seine Begleiter müssen nicht speziell auf die Führung von Blinden geschult sein. Obwohl der Aufstieg etwas länger dauert, „bin ich trotzdem nie der Letzte“.

Während Sehende den Ausblick vom Gipfel genießen, ist die Belohnung für von de Fenn eine andere: „Es geschafft zu haben.“ Sein Leben sei positiver geworden. „Für mich ist es sehr viel wert. Wenn man in meiner Situation ist, muss man immer noch eine Schüppe drauflegen.“

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