Kneipe Eine Feuerwache, die nicht wegzieht

An der Florastraße gibt es eine traditionelle Krefelder Kneipe, die auch nach dem Wegzug der Feuerwehr ihren Platz behaupten will.

Krefeld. „Damit dat man klar is: Die Kneipe heißt ,Zur Feuerwache’. Und solange ich hier bin, wird der Name nicht geändert“, sagt Wirtin Klaudia Dinc resolut. Die Gäste, die am Tresen stehen, stimmen ihr zu: „Zur ehemaligen Feuerwache“ klingt in ihren Ohren nicht mehr nach Heimat.

Kneipe: Eine Feuerwache, die nicht wegzieht
Foto: Andreas Bischof

Wenn schon die Feuerwehr ihre Hauptwache an der Florastraße nach weit über 100 Jahren dichtmacht — die Kneipe bleibt die gute Stube des Viertels. Die ist mit Erinnerungsstücken an die Feuerwehr ausstaffiert: „Vor 25 Jahren wurde die Gaststätte mit den Feuerwehr-Utensilien dekoriert“, so Klaudia Cinc.

Früher sei das „ne böse Gegend gewesen“, berichtet Oberbrandmeister Gregor (Jäpi) Jäpel (53). Er ist hier aufgewachsen und seit über 25 Jahren bei der Feuerwehr. „Jäpi“, der gerade eine Frei-Woche hat, plaudert aus der Schule: „Hier gab es früher mehr Kneipen als auf der Rhenania-Allee.“

Und die Dießemer („Hier fühlt sich jeder als Dießemer, nicht als Cracauer!“) kloppten sich mit den Jungs aus dem Südbezirk, manchmal sahen sich auch die Inrather Jungs einem Block aus Dießemern und Südbezirklern gegenüber — ganz wie es gerade passte: „Aber man hat sich immer wieder zusammengerauft“, betont Jäpel: „Und dann haben wir wieder ein Bierchen zusammen getrunken.“

Zum Beispiel in der Kneipe, die heute „Zur Feuerwache“ heißt und früher einmal unter „Haus Grefrath“ fungierte. Aber die Zeiten seien lange vorbei, meint „Jäpi“.

Auch die Zeiten, in denen die Wachabteilungsführer, der Schiffsführer (vom Feuerlöschboot) und andere Wehrmänner nach der Schicht ihr Bierchen in der „Feuerwache“ tranken, sind Geschichte: „Es hat einen Generationswechsel gegeben. Viele Kollegen kommen gar nicht aus Krefeld, sondern aus dem Umland. Sogar aus dem Sauerland sind welche dabei“, klärt Jäpel auf.

Aber die „Originale“, die gibt es noch in der Kneipe. Da ist Jäpels Mutter, die Gerda, die alles im Blick hat. Seit 58 Jahren lebt sie in der Ecke und hat „böse“ (siehe Jäpi) und andere Zeiten miterlebt. Neben ihr am Tresen steht Bezirksschornsteinfeger Karl-Günter van Münster, genannt „Killepitsch“. Seit 32 Jahren ist das sein Bezirk, in der „Feuerwache“ trinkt er schon mal sein Feierabendbier. „Liebschen, willst de noch einen“, ruft Wirtin Klaudia und van Münster nickt.

Wie früher der Milchmann macht ein weiterer Gast mit einer Glocke auf sich aufmerksam, wenn er einmal pro Woche mit seinem Verkaufswagen vorbeikommt. Natürlich nicht in der Kneipe, sondern davor. Dann wissen die Nachbarn: Bert Eicker ist mit frischem Saison-Gemüse da. Klaudia Dinc: „Den kennt man hier im Viertel.“

Das WZ-Team geht mit Gregor Jäpel die paar Schritte Richtung Flora-Wache. Wir kommen an der Pommesbude vorbei. Der „Schorsch“ (ein Grieche, eigentlich Georgios) gehört seit Jahren zum Feuerwehr-Inventar, besticht mit Portionen, bei denen auch gestandene Wehrmänner satt werden. Der „alte Mann“ wird „Schorsch“ von den Feuerwehrleuten liebevoll genannt.

Die Torbögen der 1908/09 errichteten Wache zeugen davon, warum in Krefeld ein neues Gebäude her musste. Demolierte Ziegelsteine berichten von Kollisionen mit aus- oder einfahrenden Löschfahrzeugen, die — wenn es schnell gehen muss — einfach zu groß für die Löcher sind, die der Architekt gelassen hat.

Immer auf der Geruchs-Spur von leckerem Essen kommen wir in die Küche der alten Wache und werden belehrt, dass hier während der 24-Stunden-Schicht noch richtig gekocht wird. Von Fast Food à la „Schorsch“ kann man schließlich nicht ständig leben. Der dienstbereite Notarzt ernährt sich offenbar zwischen den Einsätzen auch nicht vom „Schorsch“, sondern mümmelt im Stehen Mitgebrachtes aus der Plastikdose.

Wenn vom frisch gekochten Essen etwas übrig bleibt, wird das nicht etwa weggeworfen. Die Rentner in der Kneipe „Zur Feuerwache“ freuen sich über eine gute Portion aus dem Feuerwehr-Topf. Viele kochen kaum noch selbst.

23 Mann schieben in der Flora-Wache gerade Dienst — in das moderne Riesengebäude an der Neuen Ritterstraße ist bislang nur die Leitstelle umgezogen. Der eigentliche Dienstbetrieb läuft immer noch an der Florastraße. Da gerade kein Einsatz ansteht, üben die Wehrmänner im Treppenhaus mit Seil und Karabinerhaken für den Ernstfall.

Im Stockwerk darüber sind die Unterkünfte untergebracht. Wer zum Urgestein gehört, verteidigt sein Privat-Bett, die jungen Kollegen müssen sich eins fertigmachen. Vergleichsweise modern sind die Spinde, die Wandschränke dagegen glänzen mit der Patina eines ganzen Jahrhunderts.

Aber Vorsicht bei den schmalen Schranktüren: Dahinter verbergen sich die Rutschstangen, an denen die Wehrmänner in die Fahrzeughalle hinuntersausen können.

Alles atmet hier den Hauch der Geschichte. Etwas antiquiert vielleicht. Aber voller Leben. Wie die Kneipe eine Ecke weiter.

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